Der heilige Felix

Zu Schmirn im Schmirntale lebte vor sehr vielen Jahren ein sehr geiziger Bauer namens Simon. Derselbe war reich an Alpen, an Vieh, an Gehöften, an Geld und Gut, aber arm am Herzen, denn es fehlten ihm Milde, Erbarmen und Menschenliebe. Schuldnern war er ein harter und schonungsloser Gläubiger, Dienstboten ein harter und grausamer Gebieter. Dennoch hielt ein ganz besonders frommer Knecht, Felix geheißen, bei ihm aus, der alles aufbot, seinen Herrn zur Milde und Gottseligkeit zu stimmen. Es war aber alles Bemühen vergebens, Simon blieb, wie er war; er verübte manche böse Tat, und immer war ihm das Glück hold; es war aber nur die Langmut des Himmels und das Walten seines frommen Knechtes, die die wohlverdiente Strafe aufhielten, bis endlich Simons Sündenmaß voll war. Einen alten armen Mann, der ihm schuldig und zu zahlen außerstande war, zwang Simon, ihm seine schöne fleißige und unschuldige Tochter in das Haus zu bringen, und er verhieß, sie zu ehelichen, wenn sie für sein Hauswesen paßte. Nach kurzer Frist kam die arme Dirn zu ihrem Vater zurück, entehrt, in ändern Umständen und von dem Bösewicht verstoßen. Aus Verzweiflung, und weil sie ihre Schande nicht überleben wollte, suchte und fand sie den Tod in den Wellen. Bald folgte der Vater mit gebrochenem Herzen ihr nach. Simon aber saß daheim, maß sein Geld mit Scheffeln, lachte und sagte, als Felix ihm das Unglück berichtete und ihm vorstellte, welche Verantwortlichkeit er auf sich geladen: "Mit meinem Gelde kann ich Himmel und Hölle zudecken!" Da ging der treue Knecht aus Simons Hause, um nie wieder zu demselben zurückzukehren, und mit ihm ging des Hauses guter Engel. In der Nacht brach ein entsetzliches Ungewitter los; eine ganze Bergwand stürzte ein und warf ihre Trümmer über Simons Haus und Gehöfte, Wiesen und Felder; verschwemmt und verschwunden oder vom Schuttgerölle überdeckt war am Morgen jede Spur von Simons Habe. Jetzt steht nur braune Heide über der öden Schutthalde, und der Ort ist verrufen, denn nachts irrt ein wimmernder Schatten umher.

Der fromme Knecht Felix ward nicht mehr gesehen, doch geht die Sage, daß er nach England gewandert, dort Soldat geworden und im Kriege gefallen sei. Als er aber schon tot gewesen, seien an seinem Leibe Wunderzeichen geschehen, und er habe gerufen: "Nach Schmirn!" Schon habe man sich angeschickt, den Leichnam nach Smyrna in Kleinasien zu führen, als ein Zufall zu der Entdeckung führte, daß es in einem Winkel Tirols ein Dorf namens Schmirn gebe. Dahin wurde nun der Leichnam des Felix gebracht, welcher später heiliggesprochen worden sein soll und noch daselbst verehrt wird.

Diese letzte Erzählung von England usw. hat vermutlich ein Spaßvogel dazugedichtet, um damit mehr Effekt hervorzubringen, hat aber dadurch der Sage die Wahrheit und Einfachheit geraubt. Denn man weiß geschichtlich, daß dieser Felixleib durch den Grafen Taxis aus Italien gebracht wurde, wo er früher gelegen hat.

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 309.