Florinde und Heringingele

Eine verwandte Sage von denen, die man im Urgental, bei Strad, zu Fließ, Landeck und Ladis von der Stutza Mutza und der Hochrinta wie in Vorarlberg von der Rutschifengga erzählt, wird auch in der Nähe des Stiftes Stams am Inn erzählt, nur daß die Namen wieder anders lauten. Durch die Erlenau, einen Wald nahe bei Stams, schritt ein Wanderer mit einem Joch auf dem Rücken; da hörte er eine Stimme rufen: "Jochtroga [Jochträger]! Sag d'r Florinde, Heringingele sei gstorba." Dem Wanderer kamen diese nie gehörten Namen seltsam vor, und er wußte nicht, wo er eine Florinde finden und des Auftrages sich entledigen solle. Als er in dem Gasthause am Ausgang der Erlenau anlangte, kehrte er ein und erzählte dort unbefangen sein sonderbares Abenteuer. Das hörte kaum die in der Stube befindliche Magd, als sie jammernd aufschrie: "Was? Heringingele ist tot?" und alsbald durch das verschlossene Fenster ausfuhr, ohne dasselbe zu verletzen. Anderntags aber, so wird erzählt, fand man in der Erlenau an dem Orte, wo die Stimme erschollen war, die arme Florinde an einem Baumast aufgehenkt. Sie war das Kind einer Fangg, wo nicht einer Saugen, gewesen, und wahrscheinlich hatte sie der Riese (Wode) erwischt und umgebracht.

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 167