Der Gemsenschütz

Zu Holzgau, der Hauptgemeinde im Oberlechtale, lebte einst ein Wildschütz, der fehlte niemals die Gemsen. Er brauchte nur den Stutzen anzulegen und abzudrücken, zu zielen brauchte er nicht. Darüber wunderte sich einer seiner Kameraden über die Maßen, und er drang wiederholt in den sicher treffenden Schützen, ihm das zu erklären, oder, wenn es eine Kunst sei, ihn dieselbe doch auch zu lehren.

"Erklären will ich dir die Kunst, sie dich lehren aber nicht, und zwar
zu deinem eigenen Besten."

Sie gingen weiter miteinander, bis sich eine Gemse zeigte. "Nun schau mir über die linke Achsel!" sprach der Schütze und legte an. Jener sah hin- da sah er neben der Gemse den Teufel stehen, der sie an einer Kette festhielt - der Schuß knallte, die Gemse stürzte, der Teufel verschwand.

Der Kamerad mochte die Kunst nicht lernen, und wie es mit dem fernhin treffenden Teufelsschützen weiter geworden, wird nicht gemeldet.

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 164