Der Goldschlamm

Über das mächtige Kalkgebirge, das Sonnenwendjoch, führt ein Jochpfad, der den Wanderer auch zu dem Zierein-Hochalpensee mit seinen Goldforellen leitet. Das Joch ist verrufen, Geister bevölkern dasselbe, und die Sage breitet über seine Schrofen und Höhlen ihre Schleier. Vor Jahren gingen zwei Männer aus dem Dorfe Kramsach durch die Voldepp aufwärts über Mariatal und folgten dann dem Pfade. Als sie an den Jochsee gelangten, sahen sie eine Gestalt daran sitzen und eifrig Schlamm aus dem See fischen. Es war ein Venedigermandl. Wie dasselbe die näher kommenden Wanderer gewahrte, wurde es sehr unwillig, brummte und packte sein ganzes Gerät und Gezeug zusammen, indem es damit enteilte, ohne sich nach den beiden Männern umzusehen; es verlor aber im eiligen Gehen ein wenig von seinem Schlamm, der seltsam gleißte. Die Männer hoben den verlorenen Schlamm auf, machten sich aber auch zugleich selbst ans Werk und fischten Schlamm an dem Jochsee, soviel sie nur immer konnten. Endlich gingen sie über und über beschlammt nach Hause und vermeinten, sie müßten wie eitel Gold gleißen, es war aber nicht so. Nun wurde der Fund verkündet und untersucht, und siehe da, der wenige Schlamm, den das Venedigermandl verloren, enthielt Gold, und der, den die Männer selbst gefischt hatten, war Dreck. Da wurden sie greulich ausgelacht und ihnen der Rat gegeben, sich für das bißchen Gold, da es just dazu langen werde, einen Waschschwamm zu kaufen, dieweil sich Schwamm auf Schlamm gut passe und reime.

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 58