Hauswichtlein in Lienz

In einem Hause zu Lienz wohnten Wichtlein, die ihr Wesen mit ziemlichem Rumor und Gepolter absonderlich des Nachts trieben. Waren die Leute in der Kirche versammelt, so gab es einen Lärm in der Küche, als ob draußen alles zusammenraßle und -praßle. Ein anderes Mal, wenn die Stube leer war, so polterte es in ihr, als ob der Ofen einfiele, und immer war weder etwas zu sehen noch irgendein Schaden geschehen. In der Nacht zogen die unsichtbaren Neckkobolde den Schlafenden die Decke von den Betten, faßten die, welche etwa barfuß über die Dielen gingen, mit eiskalten Kinderhändchen um die Füße, und zuweilen ließen sich auch kleine Männlein blicken, die wie Ratten oder Schatten im Zwielicht an den Wänden hin und in Winkel huschten.

Einmal sprach ein Gast in jenem Hause ein, das einem Schuster gehörte; der schlief, weil sonst kein Raum war, auf der Bank am Herde in der Küche, und der wußte nicht, daß es im Hause also spukt und geistert. Der Mond schien hell in die Küche, und es mochte Mitternacht sein, als der Mann von einem kleinen Geräusch erwachte. Da sah er ein Wichtelweiblein mit einigen Schlüsseln und einem Licht, das betrug sich gar geschäftig, es zündete Feuer an, kochte Speise, trug sie eilends fort und kam bald darauf mit der leeren Schüssel zurück und spülte sie ganz rein ab. Endlich nahm es, als dies fertig war, einen Brand, schlug damit auf den Herd, und da sprühten helle Funken, und es entstand ein Krachen und Poltern, als falle Küche, Herd und Schornstein auf einmal zusammen, und obwohl kein Schaden geschah, grauste dem Manne so, daß er kein Auge mehr zutun konnte und froh war, als er am nächsten Morgen mit heiler Haut heimkehren konnte. Nach einiger Zeit wechselte das Haus den Besitzer, und dem neuen gefiel das Treiben der Wichtel keineswegs; er ließ es daher abbrechen und ganz neu bauen. Ob das aber geholfen hat, ist noch die Frage.

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 337.