Helfmirgott

Im Münstertale unweit Taufers liegen die Trümmer von drei alten Schlössern, Rotund, Reichenberg und zwischen ihnen ein hochragender Turmbau, der einst einen ändern Namen trug, jetzt aber Helfmirgott genannt wird. Einst war die Besitzerin dieses Turmes eine sehr schöne Jungfrau, welche sich eines Tages einsam im Schlosse befand, und zwar ohne männlichen Schutz. Da überraschte sie der liederliche Junker von Rotund aus dem Nachbarschlosse, das später von Friedrich mit der leeren Tasche zerstört wurde. Der Junker von Rotund drang in die Kemenate des schönen Ritterfräuleins in gar böser Absicht, aber die reine Jungfrau entsprang seinen Händen, floh über die Turmtreppe empor und stürzte sich oben mit dem Ruf: "Helf mir Gott!" über die Zinnen in den fürchterlichen Abgrund. Der Junker, welcher dem Fräulein nachgeeilt war, stand, erschrocken wie eine Marmorsäule, auf der Zinne, eilte dann hinab in den Graben und sah das Fräulein wunderbar erhalten, sah ihr Angesicht leuchten wie ein reines Engelbild, zum Himmel gewendet und Gott dem Herrn dankend. Da fiel der Junker von Rotund reuevoll und betrübt vor ihr auf die Knie und änderte von dieser Stunde an sein wüstes Leben. Über Helfmirgott lautet auch die Sage in folgender Veränderung: Das Fräulein - die schönste Blume des Tales - wurde vom Ritter von Rotund geraubt und neben seinem Schlafzimmer gefangen gehalten. Da gelingt es der Reinen, aus der Haft zu gelangen, sie entflieht, muß hart an der Kammertür des Ritters vorbeieilen, der sie bemerkt und ihr alsbald nachsetzt nach ihrem Schlosse. Dort läuft sie über die Wendeltreppe des Turmes empor, und nachdem der Entführer sie auch dahin noch verfolgt, stürzt sie sich von der Zinne mit dem Ruf: "Helf mir Gott!" in die grausige Tiefe. Hierauf erzählt die Sage wie oben.

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 241.