Die Jungfrau-Arme-Seele und die drei Schlangen

Ein Knabe weidete einst einige Schafe nahe den Felsenwänden von Seben [Säben]. Auf einmal sah er einen ganz ungewöhnlich hellen Glanz auf einem der Felsenblöcke. Er lief diesem zu, um sich zu überzeugen, was das wäre. Wie er in die Nähe kam, ward er einer Felsenhöhle gewahr und einer Jungfrau, die fast am Eingang weinend auf einem Steine saß. Beherzt wie er war und teils aus Überraschung redete er die Jungfrau an. Sie bedeutete ihm, daß sie eine arme Seele sei, und daß er sie leicht erlösen könnte. Morgen um dieselbe Stunde, sagte sie ihm, solle er wiederkommen mit mehreren Haselstäben, und wie er vor die Höhle komme, werden ihm 3 Schlangen gewaltig zusetzen, aber er sollte nur nicht verzagen, sondern mit den Stäben hurtig darauflos gehen, bis sie alle drei tot wären, dann sei sie gerettet. Sie versprach ihm auch, daß ihm kein Leid widerfahren solle. Der Knabe verschaffte sich die Haselstäbe und ging des ändern Tags zur Höhle.

Er fand die 3 Schlangen, von denen er zwei bald erlegte; die letzte aber war so gräßlich, krümmte und wand sich, sprühte Feuer und schlang sich dem Knaben um Hals und Füße, so daß er nach längerem Kampfe endlich wich. Ein Wehruf erscholl aus der tieferen Höhle, und Geldmünzen klingelten über die inneren Felsenabstufungen hinab. Der Knabe wollte mehrmals später die Höhle wieder suchen, fand sie aber nie wieder.

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 366.