Jutta von Braunsberg

Bei Lana im Etschtale steht noch Burg Braunsberg, woselbst ein altes Gemälde eine alte Sage verewigt. Ein Ritter des Geschlechtes zog gegen Ende des zwölften Jahrhunderts nach Palästina, seine junge Gemahlin Jutta allein zurücklassend. Der böse Burgvogt aber wagte verwegene Anträge und wurde gehörig abgewiesen. Der Verworfene rächte sich auf schändliche Weise, indem er den Trauring der Herrin entwendete und ihn dem heimkehrenden Ritter, dem er entgegenzog, als Beweis der Untreue vorwies. Zornentbrannt schwor der Ritter seiner treulosen Gattin ewigen Kerker, doch ihr wurde durch einen eilfertigen treuen Diener Kunde von dem, was ihrer wartete, und die Heftigkeit ihres Gemahls wohl kennend, der Beschworenes nie änderte, verfinsterten sich ihre Sinne so gewaltig, daß sie sich über die Burgmauern in den tief unten vorbeirauschenden Falschauerbach stürzte. Doch Engelhände trugen die Unzurechnungsfähige sanft niederwärts, und unbeschädigt sank sie drunten auf weichen Rasen. Als der Ritter hörte, was geschehen, reute ihn sein Zorn und Vorsatz, er eilte auf seine Gemahlin zu, ehrte in ihrer Rettung ein himmlisches Wunder und umarmte sie liebevoll, während der Vogt, das Gottesgericht erkennend, sich ebenfalls in den Abgrund hinabstürzte und dort, an den Felsen zerschellend, entseelt liegenblieb. Von Zeit zu Zeit lodert er als eine blaue Flamme längs des Bettes des Falschauerbaches. Wie sehr nun auch der Braunsberger seine Gemahlin bat, wieder mit ihm in die Burg zurückzukehren und mit ihm zu leben, so tat sie dies doch keineswegs, vielmehr bewog sie ihn, mit ihr eine Bußfahrt anzutreten. Sie wallten nach Bayern in das berühmte Kloster Weingarten und blieben allda mit den Seelen vereint, aber leiblich in klösterlicher Strenge geschieden.

Der erste Teil dieser Sage findet einigermaßen seinen Widerhall in der Sage von Gräfin Ida von der Toggenburg, nur daß der Zufall den Ring in eines Jägers Hand bringt, aber der Zorn des Gatten, der Sturz, die Rettung und zum Schlüsse klösterliche Einsamkeit - gleicht alles wie ein Ei dem ändern.

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 274.