Der Kerzenputz

Nördlich von der kleinen Gemeinde "Hinterhornbach" erhebt sich der gemsenreiche, 8000 Fuß hohe "Hochvogel", von welchem der "Jochbach" niederbraust und viele Alpen bewässert. Auf einer jener Alpen, auf der "Markalpe", hauste ein sonderbarer Spuk, der wegen des Diebstahls einer Kerze da oben geistern mußte. Im Volke wird erzählt: Einmal gingen mehrere Wilddiebe aufs Wildern aus und übernachteten in dieser Alpe. Nachdem sie gegessen und getrunken hatten, legten sie sich auf den Boden, um zu schlafen. In der Nacht zwischen 11 und 12 Uhr polterte an der Türe ein Mann mit einer langen Kerze in der Hand und sagte: "Wo soll ich sie hintun? Wo soll ich sie hintun?" Einer der Wildschützen schrie den Frager barsch an: "Tue sie hin, wo du sie hergenommen hast." Da wurde der spukende Mann ganz weiß und sagte, daß er nun erlöst sei, denn er habe einmal einer armen Witwe eine Kerze gestohlen und mußte daher nach seinem Tode dafür so lange leiden, bis einmal einer seine Frage auf diese Weise beantwortete, wie der Wilderer getan habe. Hierauf verschwand er für immer von der Alpe.

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 152