Manz, der Wundersmann

Zu Hafling, nicht weit vom schönen, zuckerhutspitzigen Ifinger, lebte ein Doktor des Namens Manz; der konnte mehr als Brot essen und Künste, die er nicht in der christlichen, auch nicht in der lateinischen Schule gelernt hatte, obgleich die lateinischen Schulen gar grausam gelehrte Mandln erziehen, daß es manchmal ganz schreckhaft ist, wenn sie ihre Gelehrsamkeit leuchten lassen. Und dabei war der Haflinger Manz viel, viel gespaßiger als die Hochstudierten, die keine Hexenmeister sind; er war einer. Wenn das Haflinger junge Völklein hinauf auf die Almen zur Heumahd zog und trotz Sonnenglut und Dursthitze Schwaden auf Schwaden niederstreckte, so trug es sich nicht selten zu, daß der Manz mit einem Male mitten unter den Mähern stand und sein Hexenstücklein losließ. So nahm er manchmal einem "Kreister" (alter, schwächlicher Mäher) die "Seges" (Sense) ab und mähte damit wie alle Wetter über die Wiese hin, ja er mähte zugleich harte Kieselsteine entzwei, wenn welche im Grase lagen, oder auch Bäumchen und Gesträuch. Einmal steckten die Mäher einen Denglstock in die Erde vor ihm hin, und siehe da, mitten entzwei schnitt er auch diesen, mit der Bemerkung: "Dös war amol a tolli "Schmell" gewesen." Mit einem Stücklein Holz wetzte er dann die Sense, wenn sie abgestumpft wurde, und sogleich wurde sie wieder ganz scharf, wie frisch gedengelt. Wenn die"Elferin" in Hafling unten mit ihrer Glockenzunge die elfte Stunde ansagte, legte Manz die Sense aus der Hand mit den Worten: "I muß no nach Innsbruck hinunt' und mit den großen Herren zu Mittag essen"; sprach's, und im Nu war er den Augen aller unsichtbar.

An einer sanft absteigenden Abdachung, die sich an die senkrecht stehenden Felswände anschließt, ist ein grasleerer, glatter Felsenrücken; über diesen sah man den Manz gar oft mit lautem Hallo und Hott! Hott! Hott! hinaufkutschieren, und dann schrie er von weitem den Leuten zu: "Ausg'stellt!" Indessen waren die Hexenkünste des Doktor Manz nicht alle so harmloser und Heiterkeit erregender Natur, die meisten waren auf das Verderben seiner Mitmenschen gerichtet, denn er war ein Bündner des Bösen. Manz mißtaufte heimlich Kinder, wenn er zu schweren Geburten gerufen wurde und es seiner Kunst gelang, Mutter und Kind zu retten. Jedes Jahr mußte er dem Teufel eine Seele überliefern, wenn er nicht selber von ihm geholt sein wollte. Dafür aber hatte er große Macht; er konnte in die Zukunft sehen, hören und schreiben, er hörte Gras und Blumen wachsen, verstand die Sprache der Vögel und war mit einem Wort ein Wundersmann durch und durch, was gar mancher Doktor, der sich für einen solchen hält, aber ganz und gar nicht ist. Sterben müssen aber, das ist einmal nicht anders, Weise und Toren, Dümmlinge und Doktoren, und so gedieh es auch mit Manz zu einem Ende, nur daß selbiges kein seliges war.

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 263.