Maultasche

Oberhalb Terlan im Etschtale ragen die malerischen Trümmer der Burg Maultasche empor. Erzherzogin Margarethe von Österreich hatte diesen Burgsitz so liebgewonnen und bevorzugte ihn dermaßen, daß derselbe, der sonst anders hieß, den Beinamen Maultasche durch jene Vorliebe empfing. Ein Sitz der Sittlichkeit aber war diese Burg keineswegs. Es hauste auf ihr ein sittenloser Junker, der allen Mädchen der Umgegend Netze stellte. Zu einer Zeit hatte er auch ein Dirnlein betört, unter dem Scheine, einen Dienst anzunehmen, hinauf auf das Schloß zu gehen. Wie die Dirn hinaufging, vertrat ihr ein Jäger den Weg, ein Gesell mit stechenden Augen und spöttischem Blick, der sprach sie an und sagte: "Dirndl! Dirndl! bleib herunt', da droben ist's nix für dich, da droben verlierst dein Ehrenkränzl und findst's nimmer wieder. Laß dich warnen!" "Ah, papperlapapp, laß du dich nicht auslachen, Narr", erwiderte das Dirnlein, wandte dem Jäger den Rücken und ging getrost hinauf und sehr lustig. Acht Monate später schritt das Dirnlein sehr hoffnungsreich, aber schlecht getröstet den Burgpfad hinunter, wohl traurig. Und da stand just an derselben Stelle wiederum derselbe Jäger, der lachte und sagte: "Nu, Dirndl? Wie steht's denn? Wie geht's denn?" Da begann die Dirn zu schluchzen und zu reren und sagte: "Der Teufel hat mich geheißen, da hinaufzugehen!" Bei diesen Worten sprang der Jäger drei Schritte zurück und kam ganz außer Fassung, dann aber sprang er auf die Dirn zu und schlug ihr eine so gesalzene Maultasche (Maulschelle) ins Gesicht, daß sie zu Boden taumelte, und schrie: "Ei, du verlogenes Lügenluder du! Du bist fürwahr für die Hölle zu schlecht! Habe ich nicht vor 8 Monaten da gestanden und dich gewarnt, nicht hinaufzugehen? Und nun sprichst du, ich hätte dich hinaufgehen heißen? Da muß ja die Hölle platzen, und du sollst an diese Maultasche zeitlebens denken", und es war auch so. Davon soll hernach das Schloß selbst seinen Namen erhalten haben.

Burg Maultasche
Burgruine Maultasche, Terlan
© Berit Mrugalska, 12. Juli 2004

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 281.