Doktor Paracelsus und der Teufel
Stangensteig Innsbruck © Berit Mrugalska

Stangensteig Innsbruck
© Berit Mrugalska, Februar 2004

Über Hötting im Gebirge, wo der "Stangensteig" beginnt, steht der "Spitzwald", von welchem ein Teil, der zum Schutz gegen abbröckelndes Gestein nicht gefällt werden darf, der "alte Bannwald" heißt. Über diesen Bannwald erzählt eine alte Höttinger Sage folgendes: Zu jener Zeit, da der Wunderdoktor Paracelsus in Innsbruck wohnte, pflegte er gerne in den Wäldern sich zu ergehen und kam an einem frühen Sonntagmorgen auf den Gangsteig, wo er sich alsbald beim Namen: "Paracelsus! Paracelsus!" rufen hörte. Der Doktor schaute um sich und merkte erst nach langem Schauen, daß die Stimme aus einer nahen Tanne komme, an welcher sich rechts am Stamme ein Loch befand, das mit einem Zäpflein von Holz verstopft war, auf welchem drei Kreuze eingeschnitten waren. Hinter diesen Zäpflein ließ sich die Stimme vernehmen, und nach kurzer Unterhandlung ergab sich, daß drinnen niemand anderer als der Teufel selbst stecke, welchen ein kundiger Banner aus Innsbruck in den Baum gezwungen hatte.

"Was gibst du mir, wenn ich dich herauslasse?" fragte Paracelsus.

"Was willst du?" antwortete die Stimme aus dem Baume.

"Gib mir" - herrschte Paracelsus - "pro primo eine Arznei, durch welche alle Krankheiten zu heilen, pro secundo eine Tinktur, durch welche alles in Gold zu verwandeln ist, und pro tertio ..."

"Halt!" rief die Stimme, "drei Dinge sind mir verhaßt und lahmen meine Kunst, aber die zwei begehrten kann ich dir geben."

Paracelsus begnügte sich daher mit Arznei und Tinktur, zog das Zäpflein aus dem Loche des Stammes, und alsbald kroch eine schwarze Spinne heraus, herab auf das Moos, und verschwand bei Berührung der Erde; aber im Augenblick stieg ein hagerer Mann mit glühenden Augen und verschiedenen Merkmalen, daß er kein Heiliger sei, doch sehr höflich und geschmeidig aus der Erde und sprach in wohlgesetzten Worten seinen Dank für die Befreiung aus, sodann brach er eine Haselstaude ab, schlug auf den nahen Felsen, der sich krachend spaltete, und ging durch die Kluft hinein. Bald kam er wieder mit zwei durchsichtigen Gefäßen heraus, die oben zugebunden waren und die er dem Doktor überreichte. "Das Gelbe hier", sagte er, "ist die Goldtinktur, das Weiße die Arznei." Hierauf schloß sich der Spalt im Felsen, das Geschäft war abgetan. "Nun will ich Rache üben an dem lumpigen Geisterbanner in Innsbruck", sprach der Teufel und wandte sich zum Gehen, allein dem Paracelsus fuhren ganz eigene Gedanken durch den Kopf, er wollte den Schwarzkünstler retten, war dieser doch sein Kollege, und nebenbei wollte er dem rachgierigen Teufel die Nase drehen.

Der Doktor sagte daher: "Da tut Ihr wohl daran - aber der Banner muß doch ein gewaltig mächtiger Mann sein, daß er Euch in ein so kleines Loch gebracht - Euch so sehr zusammengepreßt und in eine Spinne verwandelt hat, in eine Spinne, in welche sich selbst der Teufel nicht verwandeln kann."

"Ah, paperlapap!" hohnlachte der Teufel. "In eine Spinne verwandeln kann sich jeder ordentliche Teufel, und kriechen ist keine Kunst, das haben wir von gewissen Leuten auf der Erde erlernt: zu alldem braucht es keinen Geisterbanner, und ..."

"Geh, plausch nit so in d' Welt hinein, mich führst d' nit an!" entgegnete Paracelsus. "Habe mein Lebtag von Teufelsspuk gehört und gesehn, wie ihr euch in d' Habergeiß oder in d' Wegnarrn [Salamander] und dergleichen Ungeziefer verwandeln könnt, aber in eine so kleine Spinne sich verwandeln - da gehört mehr dazu." Der Teufel lachte und sagte: "Hast nicht gesehen, wie ich aus dem Loch als Spinne gekrochen bin?"

"Oh, das war Blendwerk", sagte der Doktor, "du bist ein Lügenbeutel und ein Prahlhans, euch Teufeln hat ein größerer Herr schon lange das Handwerk g'legt: ja ich wollte sogleich meine zwei Wunderflascheln wieder verwetten, wenn du mich überzeugen könntest."

"Topp! Es gilt!" rief der dumme Teufel und verwandelte sich wirklich wieder in eine Spinne, kroch in das Loch der Tanne und rief: "Nun schau! Die Flaschel sind mein!"

"Glaub's nicht recht", schrie Paracelsus ins Loch hinab und steckte das Zäpflein, welches er in der Hand verborgen hielt, schnell auf das Loch, schlug es fest hinein, schnitt mit einem Messer drei Kreuze darüber und - der Teufel war wieder gefangen.

Stangensteig Innsbruck © Berit Mrugalska

Stangensteig Innsbruck
© Berit Mrugalska, Februar 2004

Da nützte kein Bitten, kein Drohen; auch die Wut, mit welcher der Teufel im Stamm rumorte und am Stamm rüttelte, daß alle Tannenzapfen von den Ästen flogen, war eitle Anstrengung. Paracelsus ging darauf heim, fand die Fläschlein über alle Erwartung wirksam und ward von da an der berühmteste und reichste Mann. Aber der Teufel steckt noch immer im Bannwald, und die alten Spinnstuben-Erzähler behaupten, daß man ihn sogar sprechen gehört und gesehen habe, wie er den Baum schüttelt, und daß der Wald wegen diesem Teufelsbann der Bannwald heiße und daß man seit jener Zeit auch jene Wälder, die man nicht abholzen darf, Bannwälder heiße. Umgekehrt ist auch gefahren!

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 126