Roßlärm im Weihrich

Das Niederleger von der Alpe Weirich (auch Weirach genannt) liegt im Naviser Tale, wozu man von der Naviser Kirche rechts ab in einer halben Stunde gelangen kann. Diese Alpe ist berüchtigt wegen eines unheimlichen Spukes, der wie ein Roßlärm zu hören ist. Vor dreißig Jahren beiläufig war Johann Marquart, Garberhofbesitzer in Außernavis, zur Adventzeit dahin gegangen, um Schindeln zu machen, wozu er sich früher schon drinnen im Tale die Lärchbäume gekauft hatte. Einen Helfer und guten Schindelmacher hatte er in der Person des Bauern Erasmus Penz, seines Nachbarn, mitgenommen. Sie arbeiteten gewöhnlich wacker drauflos beim Lichte bis spät in die Nacht im Haag, und einmal legte sich der Penz just schlafen, und der Marquart wollte nur erst das Feuer auf dem Boden auslöschen und sich auch zum ändern auf die Scheite legen, als draußen ein furchtbarer Roßlärm begann. Es war ein Getrampel, als ob eine große wilde Roßherde um das Haus sprengte. Da sprach der Marquart zum Penz, er solle geschwind wieder Feuer aufmachen, ein großes noch dazu, damit man genau sehen könne, wenn etwas hereinkommen würde. Das tat Penz, und beide fingen zu beten an. Jetzt kam die Wilde Jagd wieder näher, es war, als ob der Teufel draußen wäre, daher sprangen die beiden im Haag in die Höhe, ergriffen Hacke und Axt und stellten sich so bewaffnet mutig zur Tür, um jedem, der herzutreten wagte, sei's Mensch, Roß oder Geist, den Kopf zu spalten. Allein bald darauf wurde alles still. Nun löschten die zwei das Feuer aus - aber alsbald begann der Lärm von neuem, noch ärger, so zwar, daß draußen die Schindelhaufen krachten, weil die Pferde dreinsprangen, und die Männer dachten, alle ihre Arbeiten werden zu tausend Splittern zerstampft sein. Sie machten abermals Feuer, beteten und ließen das Feuer fortbrennen bis gen Morgen, und alles blieb stille. In der Früh sprangen beide Männer neugierig bei der Tür hinaus, um die Verwüstungen der Nacht anzusehen, aber alles war ganz, alles war Schein gewesen! Aber der alte Marquart, der früher über Geisterspuk und Almgeister gewöhnlich Witze gerissen und die Sagengläubigen ausgelacht hatte, ist seitdem ganz zahm und der gläubigste der Gläubigen geworden.

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 307.