Roßzähnefund
Zwischen Maurach und Rotholz im untern Inntale ruht auf grüner,
obstbaumreicher Gebirgsneige gegen Osten der stattliche, aus alter Zeit
herstammende Edelsitz Rettenstein - gegenwärtig ein Meierhof, an
welchem nichts Schloßartiges, sondern nur mehr eine freundliche
Kapelle zu sehen ist. In neuester Zeit wurde etwas höher an dem Hügel
hinauf ein kleines Lustgebäude aufgebaut, dessen Erker eine herrliche
Aussicht gewährt und Rettenstein, auch Neurettenstein, getauft ist,
alles zusammen Eigentum der uralten Tiroler Familie der Grafen von Taxis.
Eine Sage läßt einen Bauern in tiefer Nacht bei Rettenstein
vorbeireiten, der sieht zur Rechten einen Bottich stehen, der ziemlich
erleuchtet ist, daher steigt er vom Roß und schaut neugierig, was
denn darinnen sei. Er findet nichts als eitel Roßzähne und
weiß nicht, ob er sich ärgern oder ob er lachen soll. Wart,
dachte er sich, ich will mit meiner Alten daheim einen Spaß machen
und ihr ein paar mitnehmen, damit sie sich, weil sie zahnlucket [Zahnlücken
hatte], dieselben einsetzen lassen kann. Der Bauer steckte also richtig
ein paar von den Zähnen ein, und als er nach Hause kam, ließ
er seinen Jux los. "Do hoscht amol an Morktkram, an recht'n, Alti!"
sprach er. "Nui Zähnd, dö konscht d'r einsötz'n loßn
und - und - und - " der Bauer konnte nicht mehr weiter scherzen,
denn er sah, daß die Zähne, welche er seiner Frau vorzeigte,
von reinem, gediegenem Golde waren. Er schlug sich vor die Stirn, weil
er deren nicht mehrere eingesteckt hatte, und ritt zurück zur Stelle,
wo der Bottich gestanden; aber vergebens suchte er, alles war verschwunden.
"So geht's halt", pflegte er oft zu sagen; "wer nicht zum
Glück geboren ist, hat keins." Ist aber jetzt alles gleich;
denn das Bäuerl und sein Weibl sind schon lang im Grabe, und im Himmel
droben braucht man kein Gold und auch keine Zähne, die sind nur in
der Höll nötig, wo eitel Heulen und Zähneklappern - sagt
der Erzähler.