Die Schneefräulein

In den hintersten Alpen des Stubaitales lebt noch, wenn auch einigermaßen abgeblaßt, die Saligfräuleinsage Tirols. Diese mythischen Wesen heißen dort Schneefräulein. Die dortigen Hirtensagen, namentlich um den Sulzauer Ferner, berichten von schönen, weißgekleideten Fräulein, denen kleine Bergmännlein dienstbar sind. Es ist dies ein besonderer Zug der Mythe, daß die Bergmännlein und Wichtel den Saugen dienstbar sind, der nicht häufig begegnet. Es offenbart sich in diesem Zuge die höhere Natur der erstem. Die Schneefräulein taten nur Gutes und legten oft Geschenke vor die Häuser, zu denen sie nächtlicherweile heimlich herabkamen. Auch Hirten mochten sie gerne leiden und brachten reichlich Segen auf die Alpen und gaben ihnen Winke zum frühern Abfahren, wenn große Schneewetter einzufallen drohten. Der Sulzauer Fernerstock ist mit vielen großen Fernern verbunden, so auch mit jenem des "Hohen Fräulekopfs" und des "Wilden Pfaffen", die gar hoch sich emporheben. Der erstere ist wegen des Vorhandenseins der Schneefräulein so benannt worden, der letztere ist auch nach einer Sage getauft, die sich um die Verweisung zweier sündhafter Geistlicher bewegt, aber nicht klar zutage tritt.


Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 299.