Der Schwögler von Hall

In Tirol führt eine flötenförmige Holzpfeife, das National- und Lieblingsinstrument des Landvolks, nach den uralten Namen Schwögel oder Schwegel von swëgele - ein Rohr. Nun war zu Hall, andere sagen zu Rinn, einmal ein sehr schöner Bursche, der mochte sehr gerne schwögeln lernen, es hielt ihm aber gar schwer, er begriff es nicht und bekam vom Meister, bei dem er sich in die Lehre getan, manchen derben Ausputzer, denn Lernjahre sind überhaupt keine Herrenjahre.

Da verriet einer dem Lehrbuben eine Heimlichkeit, wie er gescheit und ohne Mühe schön schwögeln lernen könne, und jener befolgte den Rat. - Er ging in der Heiligen Nacht auf einen Kreuzweg und blies da auf seiner Schwögel. Die Leute, die zur Mette und an ihm vorbeigingen, machten ihn aus und spotteten seiner, ob er die Katzen wolle fürchten machen und die Mäuse vertreiben mit seiner Musik? Der Schwögler aber kehrte sich an nichts, hörte auf nichts und lugte nur immer umher, ob nicht einer kommen und ihn schwögeln lehren werde. Mit dem Schlage 12 hörte er es von ferne jauchzen, aber so dumpf, als wie wenn einer in einen hohlen Häfen jauchzte, doch kam's näher und tönte immer heller, und es stand mit einem Male ein Jäger da und drückte ihm die Finger auf die Schwögel, und auf den Fingern brannte es wie Feuer. Blitzschnell verschwand der Jäger wieder in Nacht und Nebel hinein. Von Stund an konnte der Bursch schwögeln, weitum am schönsten, und wer nur seine Pfeife hörte, bekam Tanzlust und Jucken in den Beinen, und wenn der Schwögler gewollt, so hätte er zwei junge Eheleute in der Brautnacht aus ihrem Nest locken können - sie wären ihm nachgetanzt. Überall auch, wo es Tanz gab und lustig herging, mußte er dabeisein und aufspielen. Es kam aber zu Hall bald unter die Leute, daß der junge Schwögler seine Kunst nicht mit rechten Dingen inne habe, und man munkelte, er solle als Hexenmeister und Teufelsbündner eingezogen und dann höchst mutmaßlich verbrannt werden. Er aber dachte: Harret nur, ich will euch schon etwas pfeifen, nahm seine Schwögel, zog fort aus Hall und soll noch heute nicht wiedergekommen sein.

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 111