Teufelein weint

Im Pflerschtale, über dem ein Bergkopf "die Hölle" heißt, lag eine sonnige Alpe, und auf dieser stand neben einem Gehöft ein geräumiger Schupfen (Schuppen) mit fester Tenne, in welchem oft das Alpenhirtenvolk sich zum Tanze sammelte und welcher Tanz nicht immer sehr sittsam und züchtig war, vielmehr häufig so ausartete, daß manche erst schuldlose Seele durch ihn verdorben wurde. Eines Tages, als es wieder in dem Schupfen recht toll und voll war und des Tanzens und Johlens kein Ende, wurde, während doch droben im uralten St.-Jakobs-Kirchlein und drunten in Plans und Mölten die Meßglöcklein erklangen, fuhr ein Wetterstrahl aus dem erzürnten Himmel auf den Schupfen herab und setzte denselben in lichterlohen Brand, wobei nicht wenige der Tänzer und Tänzerinnen eines jähen Todes verblichen. Da hat einer nicht weit davon auf einem Baumstrunk ein Teufelein sitzen sehen, das hatte Hörnlein und Bocksfüßlein und einen mächtig großen, geringelten Zottelschwanz und weinte bitterlich, wobei es sich eines großen Huflattichblattes als Schnupftüchlein bediente. Dieses Teufelchen war noch sehr jung und unerfahren und dachte, nun sei es aus mit aller Höllenherrlichkeit und könne kein Teufel mehr eine Seele erhaschen, weil dieser Schupfen vertilgt wurde; es wußte aber nicht, weil es noch in Wahrheit ein recht dummes Teufelchen war, daß solche malefizische Teufelsschuppen nicht nur auf den Grasalmen, sondern allüberall in Dörfern und Städten stehen, wo sie nur schöner austapeziert oder gar gemalt sind und nicht Schupfen, sondern Säle, Salons usw. heißen.

* In diesem Tale sind einige ganz besondere Worte heimisch: "troil = treu"; in ändern Tälern sagt man "troili". Lötl = Tüchlein. Kaltsick = Kleidersack. In ändern Tälern bedeutet ein "Lötterl" ein kleines Mandl, ein "toller Lötter" ein tüchtig starker Bursche; "toll" bedeutet immer: "stark hersehend"; "a tolli Dian" ist eine arbeitsame, starke Dirne. So sagt auch mancher Bauer: "I bin a schlechta Mensch" oder "gschlechta Mensch". Da will er sagen, er sei niedrigen Standes oder arm.

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 319.