Das Teufelsloch zu Innichen

Im ehemaligen Gerichte Innichen lebte ein wohlhabender Bauer; derselbe hatte aber immer noch zuwenig für seinen Geiz. Als sein Nachbar starb und mehrere kleine Kinder hinterließ, wurde er als deren Vormund ernannt und blieb es, bis die zwei ältesten Söhne volljährig waren. Die Burschen bearbeiteten ihr Erbteil sehr fleißig, nur in einem schönen Waldteile arbeiteten sie nie, und daher verwilderte dieser völlig. Die Waldnachbarn sagten, jetzt sei Zeit, auch da Hand anzulegen, denn es seien sehr wertvolle Bäume darin, worauf ihnen jene Brüder erwiderten, es gehöre das Stück Wald nicht ihnen, sondern ihrem ehemaligen Vormunde. Diese staunten, denn keiner konnte sich erinnern, daß es ihr Vater verkauft habe, und so etwas geht in Innichen nicht so still ab. Alle sagten, dies sei nicht wahr, dies müsse das Gericht beweisen, und sie forderten den ehemaligen Vormund vor. Beim Gerichte war gar nichts zu finden, und der Richter sagte, es müsse entweder früher eine Bestechung oder von seilen des Gerichtes eine große Nachlässigkeit stattgefunden haben. Hier könne nichts als ein Eid entscheiden. Die Nachbarn wollten alle schwören, daß der Waldanteil dem verstorbenen Bauern gehört habe, und der vormalige Vormund wollte auch schwören, es sei sein rechtmäßiges Eigentum.

Als der bestimmte Tag der Eidleistung kam, so sah man den gewesenen Vormund mit lachender Miene vor seinem Garten Erde in die Schuhe legen und seinen Eßlöffel inwendig in den Hut hineinstecken, und so ging er lachend vom Hause fort zum Gericht nach Innichen. Man führte ihn in das bestimmte Zimmer, wo er ganz beherzt schwor: "Bei meinem Schöpfer über mir schwöre ich, daß ich in selbigem Waldteil immer und auch jetzt noch auf meinem rechtmäßigen Grund und Boden stehe!" Allein die Sache lief nicht so glatt ab, wie der Meineidige glaubte. Kaum hatte er den Eid abgelegt, so kam ein Jäger mit Geißfüßen zur Tür herein, faßte ihn am Schöpf und riß ihn samt seinem Schöpfer blitzschnell durch den Boden hinab.

Zum Schauder aller blieb fortan das Loch immerdar offen, nie konnte es zugemacht werden, sooft dies auch versucht wurde, immer war es am ändern Tage wieder aufgerissen.

Es ist dies eine sich vielfach wiederholende Sage.

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 327.