Die unverwischbaren Flecken

Außen an einer Mauerseite des Schlosses Bruck bei Lienz sieht man einen bräunlichen Streifen am Erker, von dem man sagt, daß er nicht auszuwischen sei. Ein Nachfolger des Grafen Meinhard von Görz, welcher Schloß Brück erbaut hatte, lebte dort zwar im Besitz vielen Geldes, aber leider auch im Besitz einer Gemahlin von sehr schlimmer Gemütsart, die es gründlich verstand, ihrem Manne das Leben zu verleiden, daß er sich oft den Tod wünschte. Da dachte das böse und arglistige Weib: Ei! wäre ich nicht eine brave und gehorsame Frau, wenn ich seinen Wunsch erfüllte, und brachte ihm ein Tränklein im Wein bei, von dem er völlig genug haben konnte. Wie aber der Graf das Gift im Leibe spürte, wünschte er sich nicht mehr den Tod, sondern das Leben, nahm ein Gegengift, das ihm einmal ein reisender Arzt aus Venedig geschenkt oder verkauft hatte, und brach das Gift wieder aus, das sich gleich in die Erkermauer bleibend einfraß. Mit der bösen Frau wurde nun freilich ein sehr kurzer Prozeß gemacht.

Eine ähnliche Sage wird vom Schlosse Tratzberg bei Schwaz berichtet, soweit sie nämlich den unverwischbaren Flecken berührt. Dort zeigt sich nämlich an einem Fenster der Kapelle ein unvertilgbarer roter Flecken. Der Ritter auf Tratzberg wollte wegen eines ihm zugestoßenen Mißgeschickes dem Himmel, der solches über ihn verhängt, Trotz bieten, und schwor, nie wieder eine Kirche zu betreten. Da fand sich bald ein Genösse zu ihm, der sich darüber mächtig freute, denn nun war der Ritter sein; er kam und holte ihn und preßte ihn so fest an die Kapellenmauer, daß ihm das Blut in Strömen aus dem Munde schoß und fortan jenen unvertilgbaren Flecken bildet. Der Genösse war der Teufel!

Vom Schlosse Bruck gehen auch noch andere Sagen. Einst saß ein sehr ungerechter Richter droben, der häufig über Schuldlasten sehr grausame Urteile fällte. Nun muß er büßend wandeln, und man sieht ihn als Geist in altfränkischer Tracht, hinterm Schloß gegen Mariatrost zu, wo er nächtliche Wanderer stumm begleitet und immer hofft, es sollte ihn einer ansprechen und erlösen. Aber die nächtlichen Wanderer fürchten sich und sehnen sich nicht nach Unterhaltung mit einem Spukgeist. Endlich aber wird ein Wegkreuz erreicht, und dann muß der Geist umkehren, das
Kreuz läßt ihn nicht vorbei.


Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 334.