Urban der Wettermacher

Auf dem Sillianberg lebte ein lasterhafter Bub, der, im Jahre 1605 dort geboren, Urban hieß und besonders böse Wetter zu zaubern verstanden haben soll. In dem schönsten Lebensalter wurde er dieser Zauberei angeklagt und zum Schloß Heinsfels, der Residenz der Grafen von Görz, welche die Herren des Oberpustertales waren, gefänglich eingebracht. Damals saßen die Richter unter dem Schatten jener Linde zu Recht, welche östlich der Kirchhofmauer stand und ihrer Größe wegen allgemein bewundert wurde; denn der Stamm ein Fuß über der Erde maß einen Umfang von 23½ Wiener Ellen und acht Fuß über der Erde 13¾ Wiener Ellen. In dem ausgehöhlten Stamme fand eine Familie Unterkunft. Diese alte Zierde des Marktes hat ein Windstoß am 30. Juni 1836 umgestürzt. Urban leugnete hartnäckig, daß er ein Zauberer sei, wurde daher in einen festen Kerkerturm eingesperrt und gefoltert. Er wurde zuerst auf der Folterbank ausgespannt, es wurden ihm an Hände und Füße so lange schwere Gewichte gehangen, bis die Glieder aus den Verbindungen brachen. Nun bekannte er alles, was man ihm zur Last legte; ließ man nach mit der Tortur, so widerrief er. - Man folterte dann abermals, und auf diese Weise brachte man folgendes Bekenntnis aus ihm heraus: Er habe auf einem Berge bei Sillian mit Hilfe des Teufels einen Ausbruch des Thurntaler Hochsees, der den Thurntaler Bach schwellte und gräßliche Zerstörungen verursachte, veranlaßt; die sündflutähnliche Überschwemmung war ihm aber nicht möglich geworden, weil die besonders kräftig geweihten Glocken von Sillian und Ahrnbach (durch letzteres Dörflein fließt der Ahrnbach) auf einmal von selbst das Wetterläuten anfingen und er und sein mächtiger Gehilfe dem Wunder weichen mußten und dabei auch fast ohnmächtig geworden wären. Wohl zogen gleich darauf furchtbare Gewitterwolken über Sillian und entluden Regen und Hagel noch genug, um die Felder zu zerschlagen. Als dieser Zauber geendet, sei eine dunkle Wolke zum Berg gekommen, welche so dicht gewesen, daß er auf ihr nach dem drei Stunden fernen Dorf Abfaltersbach hinabfahren konnte, wo er abermals solche Schauerwetter machte, desgleichen auch an vielen Orten des Tauern und am Großglockner. Bald wurde ihm das Urteil gesprochen: Erst mit glühenden Zangen gezwickt, dann gerädert, endlich verbrannt zu werden. Von der Landeshauptstadt kam das Urteil dahin gemildert zurück, daß das Zwicken wegfallen und der Delinquent von dem Rade sogleich den Gnadenstoß erhalten solle. Dieses Urteil wurde auch nach zwei Tagen vollzogen und die Asche des verbrannten Wettermachers in den Wind gestreut. Aber der Turm, in welchem Urban gesessen und gefoltert wurde, ist jetzt noch zu sehen und heißt "der Turm Urban". Wer den Turm sieht, dem durchschauert es das Herz, und er gedenkt mit Entsetzen an jene furchtbare finstere Zeit, die so geistesblind, so gedankenlos gewesen ist und so lange gedauert hat.

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 321.