Die Vomper-Loch-Lichtlein

Das Vomper Loch ist eine schaurige Bergschlucht; eigentlich ein stundenlanger, felsenreicher Waldgraben, der in einer Stunde von Schwaz in östlicher Richtung ins Gebirge leitet. Der nächtliche Wanderer erblickt nicht selten viele kleine Lichtlein, wie Schlangen geformt, welche sich immerfort hin und her bewegen, nur ein großes darunter ist stillstehend. Viele kecke Bauernburschen wagten sich dahin, sie zu untersuchen, sind aber nie mehr zurückgekommen. Ein baumstarker Bauernbub, welchen man den "z'ritten Hansl" nannte, ging vor beiläufig 20 Jahren in der Nacht mit seiner Herde Schafe durch diese Gegend und sah viele solcher kleinen Flammen, bald links, bald rechts, bald vor sich, bald hinter sich, und das Ding kam ihm fast g'spaßig vor; daher ging er einem solchen Lichtlein nach, während er seine Herde zurückließ. Das Lichtlein hüpfte so heiter und lockend vor ihm her, daß er weit ins Loch hinein kam, als er plötzlich vor einem großen Steine stand, auf welchem das große Licht bewegungslos, aber wunderschön brannte. Und wie der Hansl hinschaute und ihm das Licht wie eine große Schlange vorkam, lief es ihm ganz kalt über den Rücken, er wollte davonlaufen, fühlte sich aber von unsichtbarer Hand festgehalten. Und da sah er zugleich vor sich einen großen Schatz liegen, und der blendete ihn, und er griff hastig danach, allein er griff stets in Wind und Staub, und als er zum dritten Male danach haschte -war alles verschwunden. Aber der Hansl befand sich auf dem Fleck bei seinen Schafen, von welchem er ausgegangen war. Der arme Bub erzählte die Geschichte weiter, worüber er von vielen ausgelacht wurde, andere aber meinten, wenn er etwas Geweihtes, z. B. seinen Rosenkranz, auf den Stein geworfen hätte, so würde er jetzt ein reicher Mann sein, der sich einen schönen Bauernhof und die schönste Dirn im Tal hätte anschaffen können.

Und solche Reden machten den Hansl nachdenkend, grübelnd, sinnenverwirrt, und ist auch derselbe noch jetzt unter dem Namen "der z'ritte Hansl" im Unterinntal wohlbekannt.

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 94