Die weisenden Tauben

Unmittelbar unter dem Schloß Tirol liegt die Brunburg oder Brunnenburg, in welche sogar von ersterem ein unterirdischer Gang hinabführt. Es war in ihr zur Zeit der Grafen und Herzoge von Tirol und Meran die fürstliche Landeskanzlei. Einst bewohnte die Herzogin Adelheid von Meran die Brunburg, eine Dame, die sehr fromm war und schon lange den Wunsch in sich nährte, ein Nonnenkloster zu gründen, nur über dessen Stelle war sie noch unschlüssig. Einst schaute sie aus dem großen Bogenfenster des Schlosses, als sie zwei weiße Tauben erblickte, welche die Herzogin umflogen; dies fiel ihr auf, und sie sprach: "Wo diese Tauben sich niederlassen, dahin will ich mein Kloster bauen." Die Tauben flogen nun gegen Steinach bei Algund herab nach einem Walde, in welchem eine Einsiedlerin lebte. Dorthin ließ nun die Herzogin Adelheid das Frauenkloster erbauen, unter der Ordensregel des heiligen Dominikus.

Einstmals sollen im Dominikanerkloster alle Nonnen erschlagen worden sein, und zwar während des Engadiner Krieges, bis auf eine, der es gelang, sich in dem Glockenstuhl zu verbergen. Zu Kaiser Josephs Zeit wurde dieses Kloster mit ändern völlig aufgehoben und ist nunmehr als solches verödet.

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 259.