Das Wilde Gejaid

Im Dorfe Liefering bei Salzburg war ein lustiger Junggeselle, der nie ein "Gatterl" auf seinen Wegen aufmachte, sondern allzeit wie eine Gams drüber weg sprang, er mochte auch nicht gern irgendeinen "Landler" oder "Bäurischen" versäumen und nicht wegbleiben, wo es lustig war und "ein blaues Rachl" aufging. Wie er einmal nach Mitternacht von den Spielleuten und fleißig begrüßter Weinflasche aus Salzburg nach seinem Heim ging und noch die Geigen und Klarinetten nachsummen hörte, daß er fast in Versuchung geriet, auf offener Straße zu tanzen, da wurde er plötzlich durch einen Höllenlärm, welcher immer näher herankam, aus seinem Rausch aufgeschreckt und ward nüchtern, als ob er nur Wasser getrunken hätte. Holla Bua! sprach der Lieferinger zu sich selber, das geht einmal nicht natürlich her: da ist gewiß das Wilde Gejaid im Anzüge. Und kaum hatte er dahin geschaut, woher der Lärm gekommen, so überzeugte er sich alsbald, daß er sich nicht geirrt habe. Er streckte sich sogleich auf den Boden hin und legte Hände und Füße kreuzweis übereinander, und das Wilde Gejaid fuhr ganz knapp über ihn vorbei mit erschrecklich verworrenem Geheul, Hundegebelle, Katzengeschrei, Roßgewieher, Raubvogelgekrächze und Natterngezisch. Zum Glück stürmte alles rasch vorüber, und ist ihm weiter nichts geschehen.

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 6.