Die Wunderdoktoren

Auch im Etschland und vorzugsweise über Eppan und Kaltern hinauf stehen die Viehdoktoren oftmals als Wundertäter und Zauberer in hohem Ansehen, und das Volk trägt sich mit allerlei Meinungen über dieselben, die es sich auch keineswegs ausreden läßt. Die meisten dieser Doktoren sollen es mit dem Bösen halten. Sie durften infolge solchen Bündnisses niemals die geweihte Erde eines Gottesackers betreten, denn sobald einer solches dennoch tue, so falle er um und sterbe jähen Todes. Auch erscheinen sie, wenn sie verstorben sind, ihren früheren Kunden oft noch als Geister und rumoren und spuken noch jahrelang in ihren Häusern. Wer aber eine solche Erscheinung sieht, darf nicht das leiseste Wörtlein sprechen, sonst hat er sich seines Lebens zu befahren. Am meisten werden von den Geistern diejenigen Kunden geplagt, die dem Wundermann im Leben etwas schuldig geblieben sind oder ihm dadurch mißliebig wurden, daß sie zu einem ändern Arzte ihre Zuflucht nahmen. Da ist es fürwahr wirklich gut, daß viele Ärzte keine Wunderdoktoren sind.

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 385.