Der Burggeist

Ein Edelmann aus einem deutschen Lande - er soll aus Steiermark gewesen sein - hatte sich einen schönen Batzen Geld erspart. Er hatte aber keine Burg, die er sein eigen nennen konnte, denn er war Sänger und erhielt bei anderen Rittern immer Unterkunft. Dieser Sorge wollte er abhelfen. Ohne nachzudenken, ob sein erspartes Geld ausreichen wird zum Errichten einer Burg, baute er die Burg Itter. Als die Burg halb ausgebaut war, ging ihm das Geld aus. Ratlos stand er vor einem Bauwerk und dachte nach, wie er zu Geld kommen könnte.

"Ich gib dir so viel Geld, soviel du brauchst", hörte der Edelmann eine Stimme sagen. Vor ihm stand ein kleines Mandl. Es war der Burggeist. Der Edelmann traute seinen Augen nicht und fragte: "Wo hätt'st dann du ein Geld?" "Geld hab ich genug. Ich fordere auch keine Rückzahlung des Geldes. Ich verlange nur, daß du mich als Burggeist in deine Burg aufnehmen wirst."

Der Edelmann war froh, die Burg ausbauen zu können. Zu jeder Zeit erhielt er vom Mandl Geld. Leider dachte er nicht daran, welche Unannehmlichkeiten ihm das kleine Mandl bereiten würde.

Die Burg war fertig. Nun zog das kleine Mandl als Burggeist in die neue Burg. - Wenn ein Gast längere Zeit auf der Burg blieb, so erschien der Burggeist am achten Tage und forderte eine kleine Summe Geld. Weigerte sich der Gast das Geld zu erlegen, wurde er vom Geist so lange geplagt, bis er das Geld gerne gab. Dies wiederholte der Geist nach acht Tagen, wenn der Gast noch auf der Burg Itter weilte.

Daß nun mit der Zeit die Gäste nicht länger als zwei bis drei Tage blieben, war ihnen nicht zu verübeln.

Als der Geist das Geld, welches er dem Edelmann zum Erbauen der Burg gab, durch die Gäste hereingebracht hatte, verließ er die Burg Itter und ließ nichts mehr von sich hören. Es soll seine Erlösung gewesen sein, sagten manche.

Der Edelmann lachte sich genug. Ihm half der Geist die Burg bauen. Wie es den Gästen ging, war ihm gleich.

Quelle: Anton Schipflinger in: Tiroler Heimatblätter 1937, Nr. 3, S. 79 - 81.
aus: Sagen, Bräuche und Geschichten aus dem Brixental und seiner näheren Umgebung, gesammelt und niedergeschrieben vom Penningberger Volksliteraten Anton Schipflinger, zusammengestellt von Franz Traxler, Innsbruck 1995 (Schlern-Schriften Band 299).