Das Feuermännlein
(Oberland)

In den Bergen Tirols lebte in alter Zeit ein Bäuerlein, welches sich und die Seinen mit schwerer Arbeit und großen Mühen durchbringen mußte. Damals zogen viele Soldaten durch das Land, sie zogen gegen Italien und auch Tiroler Grafen schlössen sich dem Römerzuge an.

"Wenn das Feuermännlein im Tal drunten steht, dann kommt eine schwere Zeit für uns", sprach der Bauer und blickte sorgenvoll nach seiner Familie.

"Wer ist denn das Feuermännlein?" fragt sein Weib, die noch nie etwas davon gehört hatte.

"Es war an einem Sonnwendabend", begann der Bauer. "Die Bauern dieses Berges zogen auf den Gipfel und entzündeten ein Sonnwendfeuer. Auf dem Wege dorthin begegnete ihnen ein Wanderer. Sie gingen an ihm vorbei. Der Wanderer fragte sie, wohin sie gingen. Sonnwendfeuer brennen, antworteten die Bauern und schritten schneller den Berg aufwärts.

Als sie zurückkamen, saß der Wanderer auf einem Stein und sprach, während die Bauern vorbeigingen: "Schaut, ober mir steht ein feuriges Männlein und wenn dieses Männlein im Tal drunten steht, kommt eine üble Zeit." Oberhalb des Wanderers stand neben einem Baum ein feuriges Männlein.

Nur in den Sonnwendnächten sah man dieses Männlein und jedes Jahr ein Stück näher beim Tal. Heuer steht es im Tal drunten." Der Bauer hatte seine Erzählung beendet.

Sein Weib schaute ihn an und seufzte: "Welches Unglück etwa kommen wird?"

"Mehrere Höfe werden abbrennen. Und zwar die Höchstgelegenen. Wir sind auch dabei", antwortete der Bauer.

"Ist das Unglück nicht vermeidbar?" fragte das Weib weiter.

"Du weißt, auf der anderen Talseite lebt in seiner Klause der berühmte Geisttöter. Zu diesem gehe ich."

Beschäftigt und eilig ging der Geisttöter in seiner Klause auf und ab. - Der Bauer trat ein. Ohne langes Zögern fragte der Klausner: "Was führt dich hierher?" - Der Bauer erzählte ihm die Geschichte vom Feuermännlein und dem bevorstehenden Schicksal. -"Ja", sagte der Klausner, "das Feuermännlein ist ein böser Geist, aber es wird schon ein Mittel geben, um das Unglück zu verhüten."

Er kramte in seinen Truhen und Schachteln nach. Allerhand Sachen kamen zum Vorschein. Endlich hatte er das Gewünschte. Er legte es auf den Tisch und sagte: "Dies sind alles kleine Späne, doch ihre Kraft ist groß. Stecke sie um deinen Hof und es wird dein Haus vor dem Feuermännlein geschützt sein. Ist das Deinige geschützt, so sind es die anderen auch."

Der Bauer tat, wie ihm der Geisttöter geheißen. Er steckte die Späne um den Hof, und als eines Tages das Feuermännlein das Haus dem Feuer opfern wollte, stieß es auf die Späne und zündete diese an, in der Hoffnung, das Haus werde schon anfangen zu brennen. Wie es nun sah, daß es sich getäuscht hatte, starb es vor Gram.

Quelle: Anton Schipflinger in: Sonntagsblatt Oberland, 1938, Nr. 33, S. 6.
aus: Sagen, Bräuche und Geschichten aus dem Brixental und seiner näheren Umgebung, gesammelt und niedergeschrieben vom Penningberger Volksliteraten Anton Schipflinger, zusammengestellt von Franz Traxler, Innsbruck 1995 (Schlern-Schriften Band 299).