Der Heidenschatz

Am Falkenstein im Spertentale hausten in alter Zeit heidnische Riesen. Ihre Hauptbeschäftigung war: Schätze sammeln. Tagelang wanderten sie und trugen dann Silber, Gold und andere Kostbarkeiten nach Hause. Je mehr Schätze diese Riesen zusammenbrachten, desto uneiniger wurden sie untereinander. Eines Tages kam es soweit, daß sie die Schätze teilen mußten. Jeder bekam seinen Teil.

Manche von den Riesen zogen in die Fremde. Diejenigen, welche in der Heimat blieben, siedelten sich auf den Berggipfeln an. Keiner wollte den anderen grüßen.

Der Riese, der auf dem Falkenstein blieb, galt als der Stärkste und deshalb fürchteten sie ihn alle. Diese Furcht nützte er gründlich aus. Er zog zu jedem seiner Brüder, forderte dessen Gold und wollte sich dieser etwa weigern, so erschlug er ihn. So brachte der Riese von Falkenstein wieder einen beträchtlichen Schatz zusammen. Er hätte sicher sein Vermögen noch vermehrt, wenn ihm nicht der Tod einen Streich gemacht hätte: An einem Winterabend soll der Falkensteiner Riese beim Anblick seines Schatzes plötzlich gestorben sein.

Natürlich kamen nun seine Brüder, um sich ihren Teil wieder zu holen. Beim Teilen kam es nun zu Streitigkeiten und man begann wieder zu raufen. Während nun alle rauften, raubte einer den Schatz und flüchtete. Jetzt sahen die anderen, wie dumm sie waren. Sie wollten den Riesen verfolgen, doch es war schon zu spät. Jeder zog zu seiner Siedlung und dachte traurig an den verlorenen Schatz.

Alles Denken half nichts, der Schatz kam nicht mehr. Vor Gram stürzten sich die Riesen in den Kampf und fanden dort den Tod.

Eine Redensart erinnert an diese Begebenheit; man hört sie öfters: "Des kost' a Heid'nsgeld" - viel Geld, wie zur Heidenszeit diese Riesen hatten.

Quelle: Anton Schipflinger in: Sonntagsblatt Unterland 1936 Nr. 39, Unterländer Heimat (monatliche Beilage zum Sonntagsblatt Unterland) Nr. 9, S. 7;
aus: Sagen, Bräuche und Geschichten aus dem Brixental und seiner näheren Umgebung, gesammelt und niedergeschrieben vom Penningberger Volksliteraten Anton Schipflinger, zusammengestellt von Franz Traxler, Innsbruck 1995 (Schlern-Schriften Band 299).