Die Percht im Brixental

Am Dreikönigsabend zieht die Percht mit ihrer Schar von Haus zu Haus, klopft an die Fenster, und wenn sie ein Spinnrad surren hört, dann sagt sie das Sprüchl: "Spinn, spinn, morg'n bist hin." Daher soll man in der Rauchzeit, vor allem aber am Dreikönigsvorabend bis zum dritten Tag nach Dreikönig nicht spinnen, will man ein gesundes Jahr erhoffen. Auch als Kinderschreck für die schlimmen Kinder tritt die Perchtl auf.

Die Bäuerin kocht am letzten Rauchabend nicht Nudeln, wie es an den vorhergehenden Rauchabenden Sitte ist, sondern sie kocht Krapfen, d' Percht'nkrapfen werden sie geheißen. Etliche Stück werden als Opfer für die Perchtl auf die Labn gestellt, damit sie mitgenommen werden. Dies wird von den Bäuerinnen gerne geübt, denn sie glauben, wenn die Perchtl die Krapfen nimmt und ißt, dann geht sie über das Flachsfeld und der Flachs wird im kommenden Sommer gut geraten, besonders einen schönen, feinen Zwirn kann man spinnen.

Die Percht reitet durch die Luft, sie hat auch dort und da eine Rastbank; so dienen ihr Baumstücke, auf denen drei Kreuze oder ein Drudenfuß ausgehackt sind, als Raststätte. Man erzählt: Die Percht war einmal sehr müde, nirgends fand sie eine Raststätte. Endlich erblickte sie einen Baumstock, auf dem drei Kreuze ausgehackt waren. Sie setzte sich darauf und als sie ausgeruht hatte und weiter zog, sagte sie: "Baum wachs, werd' a Wieg'n und laß Glück daraus schrein." Der Baumstock fing an zu sprießen und schnell wuchs ein stattlicher Baum; er wurde gefällt und aus seinem Holze machte man eine Wiege und keines, das in dieser Wiege lag, starb ohne Nachkommenschaft.

Kommt aber die Percht in das Haus, so bringt sie nur Unglück, weshalb man daher am letzten Rauchabend drei Kreuzlein auf die Fensterstockrahmen macht und auf die Türen die Anfangsbuchstaben der Namen der hl. drei Könige schreibt. Dies ist gut gegen alle bösen Feinde des Menschen; auch die Percht kann nicht mehr in das Haus, wenn an den Türen und Fensterstockrahmen die Zeichen des letzten Rauchabends angebracht sind.

Das Perchtenspringen gehört ebenfalls zum Brauchtum der Dreikönigszeit. Junge, lustige Bursche vermummen sich und springen über Felder und Äcker. Die Bäuerin sieht es gerne, wenn sie über den Fleck springen, wo im Frühjahr der Flachs gesät wird. Ein Sprüchl sagt: "Wie der Percht'nsprung am Haarfleck, so wächst das Haar" (Flachs). Es gibt also mehr Handlungen, durch welche der Flachs geratet.

Die Perchtenspringer werden von der Bäuerin nach getaner Arbeit in das Haus geladen und festlich bewirtet. Zu essen und trinken gibt es, was es nur Platz hat. Nebenbei wird es lustig. - Das Sternsingen und das Perchtenspringen tun miteinander ringen, heißt es im Volksmund. Damit will angedeutet sein, daß das Sternsingen das weihnachtliche Brauchtum abschließt und das Perchtenspringen den Fasching ins Land bringt.

Doch kann man diesem Spruche nicht ganz beipflichten. Das Perchtenspringen gehört doch auch zum Brauchtum der Weihnachtszeit. Natürlich erinnert die muntere, springerische, lebendige Art schon mehr die Zeit der Fasnacht. Das Sternsingen dürfte wohl erst mit dem Eindringen des Christentums - der Name und auch die Handlung beweisen es ganz deutlich - aufgekommen sein.


Nun einige Sagen aus der Perchtlnacht, die im Brixental erzählt werden:


1. Ein Bauer vom Naziberg (Westendorf) ging in der Perchtlnacht in das Dorf. Auf dem Wege begegnete ihm die Percht, riß ihm die Haare aus und sagte: "Nächstes Jahr z'ruck." Er ging im nächsten Jahre wieder diesen Weg, die Perchtl begegnete ihm auch wieder und tat ihm das Haar wieder auf den Kopf. Dieser Bauer wurde sehr alt, jedoch blieb ihm das Haar schön erhalten und wurde nie grau.

2. Mußte da ein übermütiger Bauernbursche im Windautale in der Perchtlnacht fensterin gehen. Er kam krank heim und starb bald. Die Percht soll ihn von der Labn gestürzt haben.

3. Auf dem Salvenberg kommt die Percht in der Dämmerstunde. Auf dem Naziberg zur Mitternachtsstunde; in der Windau in der zweiten Stunde nach Mitternacht. In der letzten Stunde kommt die Percht in das Spertental.

4. Am Sonnberge bei Brixen lebte ein Bauer, der mit seinem Nachbarn in Streit lag. In der Perchtlnacht stritten sie wieder sehr heftig; da flog die Perchtl vorbei und riß beiden die Haare aus. Im nächsten Jahre warteten die zwei Bauern an der gleichen Stelle auf die Percht. Sie brachte ihnen das Haar wieder.

5. Im Windautale nahm die Percht einmal sechs kleine Kinder mit. Diese Kinder holte sie aus Häusern, an denen die Zeichen des letzten Rauchabends nicht angebracht waren. Als man beim nächsten Dreikönigsvorabend die Kreuzlein und Buchstaben anbrachte, da hörte man die Percht vorbeiziehen; sie sagte: "Feascht war'ns nit da, hoia schon, i geh' mit die Kinder davon und bring' sie euch, wenn die Kreuzlein geh'n." Die Kreuzlein wurden dann weggewischt und die Percht brachte die Kinder in das Haus.

6. Wer an einem Rauchabend spinnt, stirbt bald. Die Percht spricht ihr Sprüchl und der Betreffende stirbt bald eines unerklärlichen Todes. Lebte da im Brixental eine Spinnerin, die ihr Brot im Winter durch das Flachsspinnen bei den Bauern erwarb, die es sich nicht nehmen ließ, am letzten Rauchabend zu spinnen. Gesund und lachend ging sie schlafen, am Morgen lag sie tot im Bette.

7. Einmal erschien die Perchtl den Perchtenspringern. Diese erschraken nicht wenig. Doch sie ging wie sie gekommen. Der Flachs geriet aber so sehr, daß man zwei Winter zu spinnen hatte, wogegen man mit gewöhnlicher Ernte in einem Winter leicht fertig wurde.

8. "Wennn mir die Percht eine gute Flachsernte verschafft, gib ich zwei Haarreistl," sagte eine Bäuerin. Die Flachsernte wurde gut, das Versprechen jedoch nicht gehalten. In den folgenden Jahren geriet der Flachs nicht mehr. Endlich erfüllte sie das Versprechen und der Flachs geriet wieder.

Quelle: Anton Schipflinger in: Wiener Zeitung für Volkskunde, 1939, S. 28.
aus: Sagen, Bräuche und Geschichten aus dem Brixental und seiner näheren Umgebung, gesammelt und niedergeschrieben vom Penningberger Volksliteraten Anton Schipflinger, zusammengestellt von Franz Traxler, Innsbruck 1995 (Schlern-Schriften Band 299).