Die Trud

Zu den bösen Geistern wird im Unterinntal auch die Trud gerechnet. Sie hat die Gestalt eines Weibes, einer Hexe. Am häufigsten wird sie als Alpdruck bei Menschen und Tieren erwähnt. In der Rauchnachtzeit zieht sie im Gefolge der Perchte mit. In dieser Zeit ist sie am wenigsten zu fürchten, denn sie steht im Dienste der Perchte.

Vor allem gebärenden Müttern setzt die Trud mit Vorliebe nach und plagt sie in der Nacht, in dem sie sich auf die Brust setzt. Aber auch kranke Leute werden von der Trud geplagt. In der Wildschönau war ein Knecht krank. Auf der Brust drückte ihn etwas so schwer, daß er kaum atmen konnte. Da machte der Bauer aus fünferlei Holz einen Trudenfuß (ein aus drei ineinanderverschränkten gleichschenkeligen Dreiecken gebildetes fünfeckiges Zeichen) und legte es dem Knechte auf die Brust. Sofort wurde dem Knecht leichter und bald genas er.

Bei Nacht arbeitet die Trud. Füße und Hände sind ganz mit Haaren überwachsen. Ihr Gesicht hat einen maskenartigen Zug. Die Kopfhaare sind ganz verwirrt und verknotet. Berührt sie mit ihrer Hand Haar von Menschen, Pferden oder Schafen, so verknotet sich das berührte Haar ebenso. Man nennt es Trudenzopf.

Es ist von Interesse, sich mit den verschiedenen Vorstellungen, die im Volke über die Trud vorhanden sind, etwas näher zu befassen. Sie tritt als böses Gespenst in verschiedener Art, bzw. bei den verschiedensten Gelegenheiten auf. Auch ist ein besonderes Merkmal an ihr, daß sie auch Tiere - Pferde, Schafe, Hennen und Rehe - plagt. In der Phantasie des Volkes lebt die Trud auch als Vogel, und zwar als eine Art Eule. Wenn sie sich im Zustande eines Vogels auf einen Tannenast setzt, so wächst hernach ein eigenartiges Gewächs; dieses ist ein von Nadeln freies, jedoch sehr buschiges Gewirr. Die Überlieferung weiß darüber, daß in alter Zeit die Trudhexe in den Wäldern hauste. Den Menschen war sie sehr böse gesinnt und tat großen Schaden in den Wäldern. Auch dem Teufel spielte sie einmal in die Karten. Daraufhin verzauberte er sie in den Trudvogel. Natürlich sieht man diesen Vogel selten oder überhaupt nicht. Nur ein Söllandler Bäuerl sah in einmal des Nachts. Durch den Anblick erschreckte er derartig, daß er umfiel und geraume Zeit mit Atemnot kämpfen mußte. Von da ab hatte das Bäuerl viel mit Atemnot zu leiden und er schob alle Schuld auf den Trudvogel.

Besonders gerne geht die Trud in der Gestalt eines Vogels auf Tiere los. Wenn Rehe von der Trud geplagt werden, dann stoßen sie ganz unheimliche, gruselige Laute aus. "Der Trudvogel hat sich aufs Genick g'huckt", sagt man. Manche wollen Rehe, die von der Trud geschunden wurden, beobachtet haben und dabei festgestellt haben, daß solche Rehe bald starben.

Ein Wilderer aus dem Sölland beobachtete einmal in einer Nacht ein Reh, das von der Trud geplagt wurde. Die Trud setzte sich auf das Genick des Tieres, blieb dort sitzen und erst als sie fort flog wurde das Reh vom Alpdruck der Trud frei. Der Erzähler sah die Trud in der Gestalt eines eulenartigen Vogels zu- und wegfliegen. Während der übrigen Zeit sah er nichts von der Trud.

Werden Pferde von der Trud angepackt, so werden sie mürrisch und beginnen zu stampfen; gleichzeitig müssen sie mit Atemnot ringen. Nachher sind die Pferde meist williger. Durch das Abwaschen mit Wasser, in welchem Echter Bärlapp (Lycopodium clavatum) gesotten wurde, glaubt man die Pferde vor der Trud zu schützen.

Drückt die Trud ein Schaf, so muß es bald verkommen, denn es erträgt den Druck nicht und der Schrecken plagt es ununterbrochen. Es verfällt einer Art Starrheit, so daß es nicht mehr fressen kann. Man nennt diesen Anfall die Schrattelsucht. Dagegen hilft nur ein Schrattengatterl, welches an der Stalltüre angebracht sein muß. Das Schrattengatterl besteht aus drei vertikalen und horizontalen Stäben, welche neun Kreuze bilden. Auf der Weide bindet man den Schafen ein Hanfband um den Hals, welches zuerst durch einen Weihbrunnkessel gezogen wurde. Das beste Weihwasser für solche Sachen ist das Dreikönigswasser. Ein anderes Mittel, die Schafe vor der Trud zu schützen, besteht darin, daß man ihnen dreimal im Jahre - am Martiniabend, Dreikönigsvorabend und Sonnwendtag - ein "Trud'nleck" gibt. Dieses "Gleck" besteht aus siebenerlei Krauter, worunter drei Viertel vom Ganzen gemahlener Hexenstaub (Echter Bärlapp) sein muß.

Raufen die Hennen in der Steige, dann ist die Trud in sie hineingefahren. Die Hennen leisten der Trud den zähesten Widerstand, sie können nicht erdrückt werden, sondern sie raufen sich eben aus.

Am meisten Schaden richtet die Trud bei den Menschen an. Hier kann sie ihre ganze Kraft anwenden. Männer und Weiber plagt sie, ja zuweilen auch Kinder. Die Menschen kann sie verschiedentlich plagen, und zwar indem sie sich während des Schlafes auf die Brust setzt oder von der Ferne mit geheimer Hexenkraft die Menschen drückt.

Von einem Scheffauer Bauern erzählt man: Vor Weihnachten ging er abends zum Nachbarn in den "Hoangart". Während er mit dem Nachbarn über verschiedenes plauderte und "schätzte", begann er auf kurze Zeit zu husten. Als der Husten nachließ, hatte er schier keinen Atem mehr. Dies dauerte eine kurze Weile. Er ging dann heim und merkte in der Schlafkammer, daß auf seinem Bette die Trud gesessen war und diese ihn plagte.

Auf dem Oberkapfingerhof im Brandenbergtal wurde ein Knecht ständig von der Trud belästigt. Man wandte alle vorhandenen Gegenmittel an, doch die Trud schien nichts zu merken von den Gegenmitteln. Der Knecht vertauschte nun die Kammer, doch die Trud plagte ihn gleich. Er ging dann zum Nachbarn, es nützte nichts. Endlich beschloß er, heimzugehen. Etliche Tage hatte er Ruhe, dann aber zauberte ihm die Trud von der Ferne ihre Lästigkeit an. Der Knecht starb bald an Atemnot. Man gab alle Todesschuld der Trud.

Weibern kann die Trud auch das "Wirg'n" anzaubern. Wer mit diesem Übel durch die Trud belastet ist, hat viele Schmerzen auszustehen und kann nicht eher ruhen, bis die Betreffende etwas Lebendiges "derwürgt" hat. Einige Sagen erzählen: Im Sölland lebte eine ledige Dirn, die in gesegneten Umständen stand. Da zauberte ihr die Trud das "Wirg'n" an. Tag und Nacht jammerte die Dirn vor Schmerzen. Man fürchtete nun, daß sie nun das neugeborene Kind würge und man gab ihr daher eine Katze in die Hand. Schnell würgte die Dirn die Katze und war von ihrem Leiden erlöst. - In der Kundler Gegend hauste einmal eine Taglöhnerin, die von der Trud arg geplagt wurde. Schließlich wurde auch ihr das "Wirg'n" angezaubert. Furchtbar irrte sie umher, durch Wälder und auf die Almen. Auf einer Alm würgte sie ein Schaf. Vom Zauber war sie befreit und nie mehr plagte sie die Trud.

Die Gestalt der Trud ist im ganzen Unterinntal verbreitet. In den Nebentälern des Inntales, besonders im Brixental und im Sölland, wird über die Trud viel berichtet. Auch in der Wildschönau sind die Sagen und Berichte über die Trud noch gut erhalten.

Droht der Trud durch irgend einen Abwehrzauber eine Gefahr, dann verwandelt sie sich, um dadurch der Gefahr zu entrinnen. Berührt sie einen Trudenfuß oder ein Schrattengatterl, so ist sie einer Krankheit von langer Dauer verfallen. Dieser Krankheit kann sie entrinnen, wenn sie sich in einen Vogel - in den Trudvogel - verwandelt. Manchmal verwandelt sich die Trud auch in ein Schaf. Dies jedoch selten, da sie in dieser Gestalt vielen Gefahren ausgesetzt ist.

Auf dem Kupfnerhof in Breitenbach wurde einmal eine Bäuerin, während sie in gesegnetem Zustande war, von der Trud jede Nacht geplagt, nurvom Freitagauf den Samstag hatte sie Ruhe. Der Bauer wollte diesem Spiel ein Ende machen. Er zimmerte einen Trudenfuß, machte mehrere Schrattengatterl, richtete sich Weihwasser und geweihte Palmkätzchen bereit. Als dann das Weib von der Trud geplagt wurde, nagelte der Bauer den Trudenfuß und die Schattengatterl an den Fensterstockrahmen. Die Palmkätzchen steckte er in die Holzwand. Hernach besprengte er das Weib mit Weihwasser. Sofort fühlte sich die Bäuerin erleichtert. Am Fenster sah der Bauer einen Vogel. Er ging dem Vogel zu, dieser flog fort. Von weitem hörte er ihn dann noch einen "kranken" Schrei ausrufen. Lange Zeit wurde von der Trud niemand geplagt. Es wurde vermutet, daß sie krank geworden war.

Im Unterangerberg wurde die Trud in ähnlicher Weise bekämpft. Von ihrem Abzug konnte man nichts merken. Die geplagte Person wurde etliche Stunden nach dem Beginn der Abwehr noch geplagt. Schließlich gewahrte man ein Schaf um das Haus laufen und erst als man das Schaf verjagt hatte, wurde die geplagte Person vom Drucke der Trud befreit. Man nahm daher an, daß das Schaf die Trud war, denn in dieser Gestalt konnte ihr der Abwehrzauber nicht mehr großen Nachteil zufügen.

Quelle: Anton Schipflinger in: Wiener Zeitschrift für Volkskunde, 1939, S. 53
aus: Sagen, Bräuche und Geschichten aus dem Brixental und seiner näheren Umgebung, gesammelt und niedergeschrieben vom Penningberger Volksliteraten Anton Schipflinger, zusammengestellt von Franz Traxler, Innsbruck 1995 (Schlern-Schriften Band 299).