Der Wintergeist

Zur Winterszeit hauste auf Engelsberg ein eigenartiger Geist. Während des ganzen Winters konnte man ihn nie erblicken. Untertags rief er immer "Weho! Weho!" Zur Nachtzeit schwieg er. Viele bemühten sich, mit dem Geist einmal zusammenzutreffen, doch niemals glückte dies jemandem.

Burgruine Engelsberg © Wolfgang Morscher
Burgruine Engelsberg, Hopfgarten im Brixental
© Wolfgang Morscher, 29. Mai 2005

Der Geist war ein Hirtenknabe, der sich einst an den Tieren versündigt hatte - er schlug sie mit einem Kruzifix - und nun mußte er während des Winters auf Engelsberg bleiben. Im Sommer wurde er auf eine Alm gebannt.

Ein alter Senner erlöste ihn von seiner Verbannung. Dafür erhielt der Senner vom Hirtenknaben einen Hut voll Gold, den er von Engelsberg mitgenommen hatte. Der Senner verschenkte das Gold und wurde dadurch ein zufriedener Mann. - Die Worte "Weho" sollen soviel wie "Wehe" bedeuten.

Burgruine Engelsberg © Wolfgang Morscher
Burgruine Engelsberg, Hopfgarten im Brixental
© Wolfgang Morscher, 29. Mai 2005

Quelle: Anton Schipflinger in: Sonntagsblatt Unterland 1937, Nr. 2, S. 5
aus: Sagen, Bräuche und Geschichten aus dem Brixental und seiner näheren Umgebung, gesammelt und niedergeschrieben vom Penningberger Volksliteraten Anton Schipflinger, zusammengestellt von Franz Traxler, Innsbruck 1995 (Schlern-Schriften Band 299).