Hilfreiche Büßer

1.

Auf der Alpe Birglberg, unterhalb des Rifflerferners im Zemmenthale, hielt sich vor Zeiten einBü0er auf, der den Sennen bei jeder Arbeit behilflich war. Wenn sich ein Stück Vieh auf irgend einen Schrogen versteigen hatte und man gar nicht wußte, wohin es gerathen war, half ihnen der Geist unermüdlich suchen und brachte es jedesmal unversehrt wieder herunter. Als der Tag der Abfahrt angebrochen war, trieb er noch das Vieh zusammen. Bevor aber der Schaffer die Hütte verließ, wollte er dem Büßer, um sich für die guten Dienste, welche ihm der Geist während des ganzen Sommers erwiesen hatte, dankbar zu bezeigen, eine alte Lodenjoppe schenken. Da that der Büßer einen "Rearer" und sagte: "Hascht mir an Vergelt' Gött g'soat, oft war i iatz d'rleaßt." Von jener Zeit an hat sich aber nie mehr ein hilfreicher Geist auf dieser Alpe blicken lassen.

2.

Auch auf der Alpe Hinterberg im Zillerthale hauste einst, zur nicht geringen Bequemlichkeit der jungen Dirne, welche auf die Alm gefahren war, ein solcher Geist. Allein nur zu bald hat das freie Almerleben ein Ende, und als der herbst in's Lande gezogen war, mußte auch die Sennerin wieder zu Thal fahren. Der Geist half ihr noch das Vieh zusammenzutreiben und begleitete sie bis zum Zaun, wo die Weide in den Hochwald übergeht. Die Dirn war schon ein kleines Stück weit auf dem holprigen Waldweg abwärts gegangen, als sie sich umwandte und dem traurig am Zaune stehen gebliebenen Büßer zurief: "Lua dach's Gött z'tausendmöl an Himm'l auf'n!" Da wurde der Geist plötzlich blendend weiß und war im selben Augenblick verschwunden.

Quelle: Sagen aus Innsbruck's Umgebung, mit besonderer Berücksichtigung des Zillerthales. Gesammelt und herausgegeben von Adolf Ferdinand Dörler, Innsbruck 1895, Nr.24.