Der entdeckte Mörder

In einem Bauernhaus des Örtchens Piller im Pitzthale kam einst ein Hausierer und bat um eine Nachtherberge. Dieselbe wurde ihm gewährt, und der Mann machte sich's hinter dem Ofen bequem. Abends beim Heimgarten trat ein Bursche in die Stube, der von Kauns über den Piller Paß herübergekommen war. Ermüdet ließ er sich auf einer Bank nieder und erzählte, er sei auf der Paßhöhe über einen Gegenstand gestrauchelt, und wie er ihn näher betrachtete, habe er in demselben einen gebleichten Menschenknochen erkannt. Dabei zog er ihn aus der Tasche, und alle wunderten sich, wie schön weiß er sei. Durch diese Reden aufmerksam gemacht, kam der Hausierer hinter dem Ofen hervor und fragte erregt: "Wos, wos hobt's do fir a Boan?" Man reichte ihm den Knochen, doch kaum hatte er ihn in der Hand, als derselbe zu bluten anfieng. Der Hausierer sah sich nun verrathen und gestand, daß er auf dem Piller Passe vor zwanzig Jahren einen Menschen umgebracht und auch dort verscharrt habe.

Quelle: Sagen aus Innsbruck's Umgebung, mit besonderer Berücksichtigung des Zillerthales. Gesammelt und herausgegeben von Adolf Ferdinand Dörler, Innsbruck 1895, Nr. 129.