Das Schatzkistchen
Bei Flaurling im Oberinnthal arbeiteten einmal mehrere Holzknechte im
Walde am Berg oben. Als einer von ihnen, um etwas auszuruhen, sich abseits
auf einen Baumstrunk setzte, bemerkte er vor sich eine schöne Steinplatte.
Neugierig, ob nicht vielleicht etwas darunter wäre, hob er dieselbe
auf und fand ein goldenes Schlüsselchen, das wieder auf einer Steinplatte
lag. Dieses steckte er ein und hob hastig auch die zweite auf. Jetzt sah
er ein zierliches Kistchen und wollte schon darnach greifen, da fiel ihm
ein, daß seine Kameraden dasselbe sehen könnten, und er ihnen
dann wohl auch einen Theil vom Schatze geben müßte. Er bedeckte
daher das Kistchen wieder mit der einen Steinplatte, legte das Schlüsselchen
hin und setzte über das ganze noch die andere. Um sich ja genau die
Stelle zu merken, knickte er noch an den nächsten Fichten einige
Äste, gieng dann wieder an die Arbeit und gedachte in der kommenden
Nacht den Schatz zu heben. Um keinen Verdacht zu erregen, gieng er nach
Feierabend mit den anderen Arbeitern ins Dorf hinunter. Sobald aber der
Mond aufgegangen war, stahl er sich davon und eilte klopfenden Herzens
in den Wald hinauf. Hier fand er wohl noch die geknickten Äste, aber
keine Spur von den Steinplatten und dem Kistchen. Drei Tage hindurch suchte
er darauf nach dem Schatze, der aber war für ihn auf immer verloren.
Quelle: Sagen aus Innsbruck's Umgebung, mit besonderer Berücksichtigung des Zillerthales. Gesammelt und herausgegeben von Adolf Ferdinand Dörler, Innsbruck 1895, Nr. 60.