Der Kreuzpartikel zu Tarrenz
Auf den Schlössern Altstarkenberg und Kronburg hausten einst zwei Brüder aus einem der mächtigsten Adelsgeschlechter Nordtirols, den Starkenbergern. Ein dritter Bruder weilte in Rom. Während die beiden andern, besonders de auf Kronburg, gefürchtete Raubritter waren, zeichnete sich dieser durch große Frömmigkeit aus.
Einmal sandte er dem auf Starkenberg ansässigen Bruder, um ihn vielleicht einer mildern Gesinnung zugänglich zu machen, einen großen, echten Kreuzpartikel. Der Raubritter aber ließ denselben sofort ins Feuer werfen. Allein wie sehr ihn auch die Flammen umloderten, die kostbare Reliquie verbrannte nicht. Da befahl der Schloßherr seinem Knappen, den Kreuzpartikel in den brausenden Salvesenbach hinabzuwerfen.
Landleute, welche in der Nähe des Baches arbeiteten, sahen das Hölzchen, von einem hellen Scheine umgeben, langsam über dem Wasser dahinschweben. Schnell benachrichtigten sie hievon den Seelsorger von Tarrenz. Dieser eilte sofort zum Bache, fieng den Kreuzpartikel auf und übertrug denselben, gefolgt von einer großen Volksmenge, in die Kirche, wo er jetzt noch aufbewahrt wird.
Das Stammschloß der Starkenberger wurde später von Friedrich mit der leeren Tasche nach seiner Flucht von Konstanz mit Hilfe seines ritterlichen Anhanges und seiner treuen Landecker Bauern nach langer Belagerung erstürmt und zerstört. Noch derzeit findet man in der Ruine schwere, von der Belagerung herrührende Wurfkugeln.
Man hört aber auch noch zu gewissen Zeiten in dem unterirdischen
Gange, der vom Schlosse zum Bach hinunter führt, aber jetzt theilweise
verschüttet ist, Geister kegelscheiben. Sie benützen hiezu ein
goldenes Kegelspiel, das aber bis jetzt noch nie aufgefunden werden konnte.
Quelle: Sagen aus Innsbruck's Umgebung, mit besonderer Berücksichtigung des Zillerthales. Gesammelt und herausgegeben von Adolf Ferdinand Dörler, Innsbruck 1895, Nr. 125.