Die Wette

Die Kematner Alphütte bezeiht gleich nach der Abfahrt ein Putz, welcher wegen der auf dieser Alm als Senner verübten Vergeudung fremden Eigenthums und Veruntreuung des Almnutzens schon Jahre lang geisten muß. Deshalb wird die Hütte im Spätherbste selten betreten, da der Geist solchen Eindringlingen übel mitspielen könnte.

Gaststubn der Kematner Alm
Gaststubn der Kematner Alm
© Berit Mrugalska, 6. Oktober 2004

In Kematen war bei einem "Hoangert" am Martinsabend das Gespräch auf diesen Putz gekommen und der Bauer wettete seine schönste Kuh, daß sich niemand getraue, in die Hütte hineinzugehen. Dies hörte eine Dirn, die bei dem Bauern im Dienste war und erbot sich, ihrer armen, kranken Mutter zulieb, welche sich in größter Noth befand, gleich das Wagestück zu unternehmen. Zum Zeichen, daß sie oben gewesen sei, sollte sie die Milchseihe, den Milchrührer und den Küchelspieß mitbringen.

Stilleben-Eimer, Stuhl, Emailbecher
Heute gehören Milchseihe, Milchrührer und Küchelspieß nicht mehr zu den
charakteristischen Gegegenständen der Kematner Alm
© Berit Mrugalska, 6. Oktober 2004

Der Bauer gab ihr noch seinen Hund mit, und die Dirne machte sich nun mit gutem Gewissen auf den Weg. Furchtlos betrat sie die Sennhütte und war eben im Begriffe, ein Feuer aufzumachen, da kam der Almputz in die Kaser herein, ergriff eine Pfanne, goß Wasser und Asche hinein und stellte es über das Feuer. Als das appetitliche Gericht kurze Zeit gekocht hatte, brachte er dasselbe auf den Tisch und forderte die Dirne freundlich auf, sich "anzumachen", wie viel sie davon essen wolle. Diese hätte am liebsten gar nicht gekostet, bezeichnete aber dich aus Furcht vor dem Kasermanndl einen kleinen Theil und aß ihn auch. Dabei schmeckte ihr aber die Kost wie das beste Melchermus und es reute sie jetzt, daß sie nicht das Ganze essen konnte und sich nur einen so kleinen Theil angemerkt hatte. Als die den Löffel weglegte, sprach der Geist: "Hatest's gonze Muas gess'n, war i d'rleaßt; ober hatest nit s'Beißende und s'Reißende bei dir, aft derriß i di wia d'n Stab in d'r Sunnen."

Bodenhütte
Almbetrieb auf der Kematner Alm oder Bodenhütte
© Berit Mrugalska, 6. Oktober 2004

Dann gieng er wieder zur Thüre hinaus. Die Dirn nahm die drei verlangten Gegenstände aus dem Kasten und trat betroffen, daß sie so nahe daran gewesen war, das Kasermanndl zu erlösen, den Heimweg an.

Quelle: Sagen aus Innsbruck's Umgebung, mit besonderer Berücksichtigung des Zillerthales. Gesammelt und herausgegeben von Adolf Ferdinand Dörler, Innsbruck 1895, Nr. 23.