Der "Wotargeist"

"Z' Wotar", einem Gehöfte in Schwendau, trieb der Geist eines daselbst verstorbenen Bauern sein Unwesen und spielte den Hausbewohnern manchen tollen Streich. Oft steckten des Morgens zwei Kühe in einer Kette, daß sie die Zunge schuhlang herausstreckten und wenn man sich dann recht abmühte, die Thiere wieder auseinanderzubringen, so that's aus der "Kalbersteige" heraus einen hellen "Lacher". Gieng man aber hinaus, als ob man die Arbeit aufgegeben habe, so standen die Kühe, kaum daß man die Thüre hinter sich geschlossen hatte, wieder munter und unversehrt im Stalle. Manchmal, wenn jung und alt beim "Huagacht" (Heimgarten) versammelt war, zündete er plötzlich den fleißig spinnenden Dirnen den Flachs an und wenn einer der Burschen auf die "Labe" gehen wollte, war der Putz drinnen. Einmal kochte auch die Bäurin das nachtmahl und mußte noch in eine Kammer des oberen Stockwerkes, um dort schnell etwas zu holen, da setzte sich der Geist auf die Stiege und ließ das Weib nicht eher herunter, bis das ganze "Köch" angebrannt war. Wie einmal mehrere Dirndeln auf dem Söller das Hauses saßen und lebhaft miteinander schwatzten und kicherten, stand er auf einmal in Gestalt eines steinalten Weibleins, mit tief ins Gesicht gedrücktem Filzhute unter ihnen, und nun stoben sie kreischend auseinander. Als der Knecht abends wie gewöhnlich die Pferde zur Tränke führte, sah er einmal den "Wotargeist" als "Wülggar"*) vor sich hergleiten und der Spuk hätte, wenn er nicht bald durch den Zaun geschlüpft und verschwunden wäre, die Pferde beinahe scheu gemacht.

Ein Kapuzinerpater, der den Geist aus dem hause zu bannen versuchte, konnte ihm nur die Sprache nehmen.

*) Die Ausdrücke "Wülggar", "Worglar", "Wuzl" bedeuten ein ungewisses, zusammengeballtes Etwas.

Quelle: Sagen aus Innsbruck's Umgebung, mit besonderer Berücksichtigung des Zillerthales. Gesammelt und herausgegeben von Adolf Ferdinand Dörler, Innsbruck 1895, Nr. 42.