Der Schatz im Reichenspitz

Im Reichenspitz in der Wilden Gerlos liegt, tief im Berg verborgen, ein unermesslicher Schatz, den Bergmännlein hüten. Vor vielen Jahren kam ein Venedigermandl in die Gerlos und nahm sich dort einen Bergführer, der es zum Reichenspitz führen sollte. Die Venediger standen nämlich mit den Schatzhütern im Bund und hatten Zutritt zu den unterirdischen Höhlen. Sie durften sich vom goldfunkelnden Gestein mitnehmen, was immer sie wollten.

"Willst deinen Lohn im Voraus oder im Nachhinein haben?" fragte das Mandl den Bergführer. Es hatte nämlich im Sinn, den Schatz mit ihm zu teilen, wenn er sich geduldete. Der Bergführer aber traute der Sache nicht recht und verlangte seinen Lohn im Voraus. Dann stiegen sie zum Reichenspitz auf. Oben angelangt, begann der Venediger mit einer Beschwörung. Mit einem silbernen Stock zog er einen Kreis in den Schnee und murmelte dabei etwas, das der Gerloser nicht verstand. Als er damit zu Ende war, stand der Schatzhüter vor ihnen und legte einen großen Sack nieder, der bis obenhin mit Gold und edlem Gestein gefüllt war.

Da reute es den Bergführer, dass er nicht gewartet hatte. Neid und Habgier erf assten ihn, und er beschloss, das Mandl beim Abstieg zu berauben. Also ging er ein Stück voraus und versteckte sich hinter einem großen Felsblock. Der Venediger aber erriet des Mannes Gedanken, setzte sich auf seinen Sack, machte dreimal "ssst!", und war auch schon verschwunden. Der heimtückische Bergführer aber hatte das Nachsehen.

Quelle: Hifalan & Hafalan, Sagen aus dem Zillertal, Erich Hupfauf, Hall in Tirol, 2000, S. 72f.