DAS VENEDIGERMÄNNLEIN

Der Tschergat Berg bei Imst soll in seinem finstern Schoße eine Fülle kostbarer Metalle bergen. Dahin kam vor vielen Jahren ein Venedigermännlein Silber zu graben, und wurde mit einem Hirtenknaben bekannt. Jahre kamen, Jahre gingen, der Hirtenknabe wurde groß und wollte sich auch ein wenig in der Welt umsehen. Auf seiner Reise kam er selbst nach Venedig, jener schönen, großen Stadt, die mitten im Wasser steht. Eines Tages schlenderte er über den Markusplatz hin, da hörte er sich beim Namen rufen; verwundert wendete er sich um, und sieh, das Männlein, dessen Bekanntschaft er auf dem Tschergat Berge gemacht hatte, stand hinter ihm und lud ihn ein, in sein Haus zu kommen. Er folgte der Einladung, wurde herrlich bewirtet, und bekam noch beim Abschied zum Andenken einen silbernen Teller, aus jenem Silber verfertigt, das der Schoß des Heimatberges geliefert hatte.

(Im Urtext aus: Sagen von J. B. Zingerle).


Quelle: Imster Geisterbrevier, Hermann J. Spiehs, Imst 1936, Seite 38