DER GRAUE GEIST

Unweit Imst mündet ein kleines Thälchen in das Hauptthal, das der Inn durchrollt, und an der Ausmündung steht nach dem altchristlichen Gebrauche ein Wegkreuz, an welchem die Landstraße vorbeiführt. An dieser Stelle ist es nicht ganz geheuer, obschon das Kreuz gegen Schaden des Geisterspuks schützt. Nicht selten ist es Frachtfuhrleuten begegnet, daß sie, wenn sie an jener Stelle des Nachts vorbeifuhren, einen grauen Geist durch das Thälchen schreiten sahen, der ihnen eine Strecke nachkam; so wie sie aber zu dem Wegkreuze gelangten, kehrte selbiger Geist rasch um und wanderte wieder in sein Thälchen zurück. Noch heutigen Tages wollen viele ihn gesehen haben, andere aber haben ihn nicht erblickt.

(Im Urtext aus: Deutsche Alpensagen von Alpenburg.)

Quelle: Imster Geisterbrevier, Hermann J. Spiehs, Imst 1936, Seite 46