DIE GEISTERKALESCH

Ein unheimliches Erlebnis hatte die aus Imsterberg stammende und am 28. Juni 1929 in Imst vierundachtzigjährig verstorbene Liberata Schlierenzauer, vulgo "Ratta". Sie erzählte darüber noch kurz vor ihrem Tode folgendes:

"Als Madl mußte ich dem Vater in die Felder am Galgenbühel das Essen tragen. Am Heimweg begegnete mir eine Kalesch. Die Pferde trugen schwarze Maschen hinter den Ohren, der Kutscher hatte ein nagelneues Fuhrmannshemd an. Im Wagen saßen ein schwarzer Herr und eine weiße Dame. Als sie vorbeifuhren, reichten mir alle drei ein "Packl" heraus. Mich überlief ein kaltes Gruseln, ich rannte was nur möglich war davon. Schon bei der nächsten Wegbiegung begegnete mir eine Bäuerin, die ich nach dem komischen Fuhrwerk befragte. Sie hatte weder Laub noch Staub gesehen. An der Innfähre nach Imsterberg sagte mir der Bootsmann: "Ja, ja, die Geisterkalesch, die ist schon mehreren Sonntagskindern begegnet!" ...

Daheim angekommen, schickte mich die Mutter in die Holzschupfe ums "Backbrett". Alle Heiligen, wieder hockt die weiße Dame dort auf dem Scheiterhaufen und haltet mir das Packl hin. Ich tu einen mordsmäßigen Schrei, dann weiß ich nichts mehr ... Ohnmächtig haben sie mich zu Bett tragen und erst gegen morgen bin ich wiederzu mir selber kommen. Der Geistliche, den sie meinethalben holten, segnete mich und sagte: "Die Geschenke hättest annehmen sollen, du dummes Ding, so wären jetzt drei arme Seelen erlöst'!"


Quelle: Imster Geisterbrevier, Hermann J. Spiehs, Imst 1936, Seite 47