DIE GEISTERSENNERIN AUF DER MALDON

In der Maldonalm spukte es seit jeher. Gesehen aber hat den dortigen, scheinbar weiblichen Almputz nur selten wer. Unter anderen der aus Martinau im Lechtal stammende HausiererGeist, an den sich die älteren Lechtaler wohl auch heute noch erinnern mögen.

Also der "Geist" wandert im Langets übern Hahntennen, wird dabei von einem der um diese Zeit üblichen Schneegestöber überrascht. Weil's gegen Abend geht, zieht er vor, in der Maldonhütte zu nächtigen. Er holt den Schlüssel aus dem ihm bekannten Versteck hervor, macht Feuer, kocht sich was, kraxelt endlich die Leiter hinan nach der "Dille", verschlieft sich dort in den spärlichen Rest von Almheu - und schläft auch schon. In aller Herrgottsfrüh hört er halbwachend am Herd drunten das Feuer prasseln, sieht ein schmuckes Weibsbild in der Altimster Tracht daran herumhantieren, das "Almmues" kochen. Soll sie, denkt er duselig und dreht sich auf die andere Seite. Mit einem Ruck aber reißt ihn die Stimme der Sennerin hoch: "Geist, steh au muesn!" Jetzt fallt ihm's Herz in die linke Hosentasche. Er rührt sich nit fürs erste. Allein schon wieder tönt der Ruf: "Geist, steh au muesn!" Diesmal ganz kommandomäßig. Auf ein drittesmal will er's nit ankommen lassen, als Krämer ist er an Zugeständnisse gewöhnt. Also haxelt er vorsichtig die Leiter herab, setzt sich angstschlotternd zur vollen Pfanne. Und ißt für drei ...

Sie hockt nebenan, schaut ihm zu, freut sich seines Appetits. Endlich wischt er sich den Schnauzbart: "Jetzt tuet's, vergalt's Gott!"

"Iß!" bettelt und befiehlt sie jedesmal, wenn er den Löffel hinlegen will. Bis auf einen kleinen Rest putzt er wirklich das ganze "Mues" weg, dann kann er einfach nimmer. Und wenn ihn der Teufel holt, er kann nimmer. Hint und vorn will es ihn zersprengen. Das soll ein anderer probieren: die größte Pfanne voll Rahmmues auf einen Sitz! ...

Ganz nahe rückt sie indes an ihn heran, ihr Betteln und Drängen wird ihm unheimlich. Der Zorn packt ihn, Angst, Grausen, von allem ein bissel. Den Löffel haut er weg und rennt vor die Hüttentür.

Höchste Zeit war's. Keine zwanzig Schritt weit ist er, so saust eine Lawine herab, "lahnt" die Hütte ein. Lebendig begraben wäre er nun, aber die Seel der Sennerin hätt er erlöst. Jammern und wehklagen hört er sie drin noch die längste Weil'.

"Grad auf das Patzl Mues hat's ankommen müssen", ärgert er sich, "doch ist's halt einmal so: reißt dem Feldherrn im entscheidenden Augenblick ein Hosenknopf, so verliert er die Schlacht. Muß die arme Seel eben warten, bis ich's nächstemal übern Hahntennen steig, dann meiner Seel, erlös' ich das saubere Weibsbild und wenn's in die Hosen geht!"

Ist jedoch nimmer dazu kommen, bereits um ein weniges später haben sie den Hausierer Geist zu Grabe getragen und es könnt leicht sein, daß der Krauterer nun selber auf einen Erlöser wartet.


Quelle: Imster Geisterbrevier, Hermann J. Spiehs, Imst 1936, Seite 7