EINE BÄRENGESCHICHTE

"Tüdit, tüdit, der Bär geht it! Tüdum, tüdum, der Bär geht um!" johlt die Jugend in der Imster Fasnacht und bestaunt die täuschend nachgemachten Sohlengänger. Schon seit undenklich langer Zeit ist es hier Brauch, beim Schemenlaufen auch Bären beim Unzug durch die Stadt mitzuführen. Möglich, daß die einstmals im Umkreis von Imst gar häufig auftretenden Meister Petze selbst den Anlaß hiezu gegeben.

Verirrte sich doch solch ein Ungeheur dereinst aus der bewaldeten "Engere" herauf bis in die Küche des Gasthofes zum "Hoad" (heute Stern) und wurde von der mutigen Köchin mit der größten Muskelle in die Flucht getrieben. Leider ist das diesbezügliche Freskenbild bei der letzten Renovierung des Stern-Gasthofes nicht mehr, oder bezw. in einem solchen Zustande vorgefunden worden, daß man von einer Auffrischung Abstand nehmen mußte. Schade um den originellen Wandschmuck!

Eine zweite Bärengeschichte beinhaltet das Wappen der Streleschen Grabstätte. Auf weißem Marmor zeigt sich in farbiger Abbildung ein Mann mit einem Bären zwischen den Beinen. Die beiden sollen am "Bargl" droben miteinander gerungen haben, dabei den fast senkrechten Hang hinabgestürzt sein. Der Bär wäre beim Aufschlag zerschmettert worden, während jener mutige Strelesproß verhältnismäßig gut abschnitt, da er glücklicherweise auf Meister Petz zu liegen kam.

Diese Darstellung ist jedoch wirklich "sagenhaft", denn jene Strele waren überhaupt nicht im Besitze eines Wappens, wie ja auch aus ihrer Grabinschrift hervorgeht. Diese lautet: "Hier ruht der bürgerliche Handelsmann Nikolaus Strele, geb. den 9. Nov. 1810, gest. den 22. Jänner 1869".

Der Bär im Wappen hat daher bloß auf die Gattin des Genannten, eine geborene Hirn, die aus Mieming stammte, Bezug, woselbst sich vormaleinst der Kampf mit dem Bären zugetragen haben soll.

Die Imster aber halten steifnackig an ihrer Bärenlegende fest und binden jedem, der um besagtes Wappenbild Näheres wissen will, ihren Bären auf.


Quelle: Imster Geisterbrevier, Hermann J. Spiehs, Imst 1936, Seite 41