VON DEN HEXEN

Deren gab es gerade in der Imster Gegend mehr als genug. Der Galgenbühel' 1), auf dem sie verbrannt wurden, und das Ueblbachl vor Tarrenz, wo sie am liebsten ihre nächtlichen Gelage hielten, könnten davon manch Liedlein singen.

Das nachfolgende Hexensprüchlein steht heute noch in Schwung:

Heut af d'Nacht
Kimmt mei Schatz,
Mueß mi schiön putze;
Augn auskraln, Nasn abschneid'n,
D'Oahrwaschl stutze.
Horanggangg nieder,
Horanggangg au -
Jetz mach mir halt wieder
An Horanggangg au!

Spät Heimkehrende hörten häufig die auch im Schemenlaufen erklingende Hexenmusik. Hellsehige erblickten diese Ungeister, wie sie auf Besen und allerlei Getier herumritten und mancher Neugierige hat dabei einen Denkzettel erhalten.
Im heutigen Fürutterhaus, Oberstadt Nr. 91, guckte solch eine weibliche "Gwunderkatze" einmal um Mitternacht durchs offene Fenster, angezogen vom Lärm des vorüberhastenden Hexenschwarms. Schwupps, verspürte sie einen heftigen Schlag und konnte wochenlang mit einer geschwollenen Backe herumlaufen. Zwei Bauern, die dem Tschirgant entlang lustwandelten, kamen zu jener Sumpfstelle, genannt "'s Hire Lacke", wo damals die halbzerfallene Hirnhütte (nach dem Besitzer so genannt) stand, die aber schon längst nicht mehr bewohnt wurde. Die Männer wunderten sich nicht wenig, als zwei Weibsbilder durch die kaputten Scheiben glotzten und ihrer ansichtig, ein gellendes Gelächter anstimmten. Sie verbaten sich dies, worauf die Weiber erst recht zu lachen anfingen. Verägert machten die bäuerlichen Hagestolze kehrt. Wie erstaunten sie, als sie daheim aus jeder ihrer Kleidertaschen eklige Haarbüschel hervorzogen - offenbar ein Anhängsel dieser beiden Hexen.

Ein vom "Fensterln" in aller Herrgottsfrüh heimkehrender Bursche wurde am Rofeneck von einer schwarzen Katze angefallen. Sie zerkratzte ihm das Gesicht, entriß ihm einen Schuh. Nur mit Mühe, daß er sich durch Flucht retten konnte. Drei Tage später fand er den ihm geraubten Schuh am nämlichen Eck.

Zwei Brüder, namens Hans und Fidel, mußten am Tag des Schemenlaufens zum "Dollinger-Hof" um Torf fahren. Um den Fasnachtrummel nicht zu versäumen, machten sie sich bereits um zwei Uhr nachts auf den Weg. Vor lauter Eile vergaßen sie sogar einen Weihbrunn zu nehmen.

Hans, der etwas vergessen hatte, rief in der Dunkelheit dem Bruder zu, er würde gleich nachkommen, kam aber nicht. Fidel brachte inzwischen das Ochsengespann zum Torfstich, wartete und wartete vergeblich auf das Kommen seines Bruders. Mühsam lud er allein den Wagen voll, zwischendurch immer wieder nach Hans rufend. Endlich erhielt er von der anderen Seite des Pigers her Antwort. Sogleich lief er, seinen Ruf verstärkend, dem Bache zu. Der hart vermißte Bruder näherte sich ihm ganz verstört aussehend, mußte sodann durch den Piger waten, da außerhalb Imst keine Brücke darüber führte. Wie er staubtrocken auf die andere Seite des Wassers hinüber gekommen war, wußte er nicht zu erklären. Er ging und ging und stand beim morgendlichen Betläuten in halber Höhe des Tschirgants droben. Heilig und gewiß hatte ihn eine der gerade um die Faschingszeit massenhaft umstrolchenden Hexen verzogen! ...

Nun mußten sich die beiden gar sehr beeilen, um wenigstens einen Teil des tollen Maskentreibens mitansehen zu können.

Imster Vogelfänger sahen auf den Teilwiesen droben eine Schnur gespannt, daran hing blühend-weiße Frauenwäsche. Gleicherzeit tanzten eine Reihe nackter Weiber an den hinter der Wäsche sich versteckt haltenden Burschen vorüber. Ein besonders Waghalsiger tat einen Juchzer und griff keck nach einem Hemd. Im Augenblick verwandelte es sich in frische Kuhfladen und der Frechdachs hatte die Hände voll davon. Der Hexenspuk aber war und blieb verschwunden.

(Vergleiche: "Die Hexen beim "Gstoag", Der Hexentanz auf dem Somrig; aus Deutsche Alpensagen von Alpenburg.)

1) Alter Müllplatz


Quelle: Imster Geisterbrevier, Hermann J. Spiehs, Imst 1936, Seite 53