Robblerkünste

Der Pfeifer Jakele (Jakob Prazeller), Maurer in St. Nikolaus, und der Pfoseler Hansl (Johann Dollinger) von Mühlau, waren im Jahr 1807 die ärgsten Raufer und machten aus der Robblerei ein förmliches Gewerbe. Einmal jedoch, im Jahr 1813 auf dem Kirchtag zu Arzl, wurden sie jämmerlich abgeprügelt, so daß die nach Hause getragen werden mußten. Da meinte einer davon, daß das eine große Schande sei, und daß man diese Scharte auswetzen müsse. Sie kamen überein, ein magisches Mittel anzuwenden, durch dessen macht kein Robbler überwunden werden kann. Dieses Mittel ist aber ein ganz grauenhaftes und entsetzliches. Wenn eine Wöchnerin mit dem Kinde stirbt, und beide begraben worden sind, so muß man dieselben in der Nacht zwischen 11 und 12 Uhr ausgraben, der Wöchnerin das Hemde abziehen, und sich dassel e selbst am bloßen Leibe anziehen, darauf unterm 12 Uhr schlagen dreimal um den Gottesacker laufen, dann die Leichen wieder einscharren und heim gehen. Wer dieses Todtenhemd nun anhat, der siegt überall, ihm selbst kann nicht wiederfahren. Diese zwei Robbler thaten genau so, als dort zu Mühlau eine Wöchnerin starb und auf dem Gottesacker begraben wurde.

Gräber vor der Mühlauer Kirche © Berit Mrugalska
Gräber vor der Mühlauer Kirche St. Leonhard, Innsbruck
im Hintergrund die Serles, rechts die Nockspitze
© Berit Mrugalska, 28. Mai 2005

Der Pfoseler hatte das Hemde angezogen, aber zu hause haben sie es in zwei Stücke getheilt, und jeder von ihnen nahm eine Hälfte von seinem Hemd, und ließ es zu einem Ganzen zusammennähen. Nun warteten sie einen Feiertag ab, gingen nach Arzl und suchten hin und her Händel und die Burschen recht "wild" zu machen, damit sie sich mit einem "tollen Schlag" rächen könnten. Es kam auch zu einer blutigen Rauferei, wo die zwei Robbler trotz ihres Talismans so zusammengeschlagen wurden, daß sie sich nicht mehr rühren konnten.

Sie lagen lange krank, da meinten sie, die Theilung des Hemdes sei die Ursache ihres Unglücks gewesen, aber nach und nach machte einer dem andren Vorwürfe über das frevelhafte Beginnen, es drückte sie die Sünde, den Frieden der Todten gestört zu haben, und es kam so weit, daß es der Pfeiffer Jakele dem Herrn Pfarrer Loringa in St. Nikolaus erzählt hat, welcher die Hände über dem Kopf zusammenschlug und ihnen befahl, sie sollten das Hemd in Gegenwart des Seelsorgers von Mühlau wieder ins Grab zurück geben, und zwar zur gleichen Stunde, in der sie es genommen hatten, und gab ihnen nebstbei eine Buße auf.

Die zwei reumüthigen Robbler thaten, wie ihnen befohlen wurde; der Herr Kurat Peter von Mühlau wohnte bei, als sie das Hemd wieder ins Grab legten, welches derselbe einsegnete und zuscharren ließ, und alles blieb still abgemacht.

Aber der Pfoseler, der Anstifter, wurde gleich darauf melancholisch und endlich ganz irrsinnig, und ist im Jahre 1847 auch irrsinnig gestorben. Der andere ist ein alter Mann, den es oft noch beunruhigt - in Nächten - wie er sagt, und bereut noch heute den Frevel an der Grabesruhe einer Verstorbenen.


Quelle: Mythen und Sagen Tirols, gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Zürich 1857, S. 354f