Wie Doctor Theophrast kurirte [kurierte]

Ein sehr vornehmer Herr zu Innsbruck lag am Thode, kein Arzt gab Hoffnung, und zum Doctor Theophrast mochte der Herr nicht senden, weil er glaubte, dieser heile nur mit Teufelshilfe. Endlich, da dem Vornehmen das Messer an der Kehle stand, wurde Theophrast doch gerufen. Dieser kam, richtete einen Trank her, und gab dem kranken davon. Der Kranke bekam darauf die heftigsten Schmerzen. Die Umgebung desselben, so wie er selbst, meinten, das letzte Stündlein habe geschlagen, es wurde eilend nach dem Doctor gesendet, aber dieser war nirgends zu finden. Jetzt glaubte der Kranke steif und fest, Theophrast habe Rache an ihm genommen, weil er ihm nicht gleich sein Zutrauen geschenkt, und ihn vergiftet, und befahl daher, denn die Macht dazu hatte er, den Giftmischer zu verhaften, wo man ihn fände, und ihm das Lebenslicht auszublasen. Aber vergebens zogen Bewaffnete durch alle Straßen, uichten den Doctor in allen Häusern und in seiner eigenen Wohnung, und rings um die Stadt - er blieb verschwunden.

Nach zwölf Stunden ließen bei dem vornehmen Kranken alle Schmerzen nach, bald war er frisch und gesund, und mit einemale stand der Doctor bei ihm in dem Krankenzimmer. Da bat ihn der Vornehme demüthig um Verzeihung, und bot ihm reichen Lohn. Theophrast aber flüsterte ihm leise ins Ohr:

Du bist ein Lump!

und ging zur Thüre hinaus.

Quelle: Mythen und Sagen Tirols, gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Zürich 1857, S. 306, Nr. 6