Geister auf der Stiftsalm

Im Herbst 1896, kurz nachdem wir die seltsame Begebenheit mit dem öfter genannten Andrä Schallhart im Unterinntaler Boten veröffentlicht hatten, kam eines Tages eine alte, sehr ernst Bauernfrau zu uns. Sie stellte sich als Gattin des vieljährigen Schaffers auf der Stiftsalm vor. Die Frau erzählte, daß es für sie selber und auch für ihren Mann ein großes Kreuz sei, zu gewissen Zeiten, Quatember, Johann der Täufer, Ignatius, Petri Kettenfeier, am Vorabend des Hohen Frauentages, dort sein zu müssen. Vom Betläuten an bis zur Morgenfrühe rumore es in allen Räumlichkeiten, sogar in den Ställen, so daß das Vieh unruhig werde. Immer wieder werden herumeilende schwarze Schatten gesehen. Die genannte Frau beschrieb dann die Kleidung der Stiftsdamen wie auch der Stiftsdienstboten so genau, daß kein Zweifel über die Herkunft dieser gespenstischen Erscheinungen bestehen konnte. Wiederholt sah man auf dem Wege von und zur Stiftsalm um Mitternacht die bekannte Stiftskutsche mit vier Damen als Insassen, mit Diener und Kutscher auf dem Bocke, mit vier Pferden bespannt, über Stock und Stein fahrend. Das letztemal sah dies ein Metzgergehilfe der Firma Recheis im Jahre 1888. Mehr oder minder machte man dieselben Erfahrungen im ganzen Volderwalde, das heißt in der Nähe einstiger Stiftbesitzungen. Immer wieder hat man da und dort Stiftsdamen oder Stiftsdienstboten gesehen, die zu mitternächtiger Stunde am Borgias-Kirchlein vorbeigehen, um nach Hall zu wandern.

Quelle: Geistererscheinungen im Haller Damenstift, nach anvertrauten Aufzeichnungen des Frl. Ida Feuerstein, Oberstaatsbibliothekar Dr. Hans Hochenegg, Tiroler Heimatblätter, Heft 7/9 1955, S. 91.