DER BLASENDE DRACHE

Gleich inner der Zirler Brücke, wenn man gegen Inzing geht, liegt die Drachenwiese. Die alten Inzinger und Zirler erinnern sich noch gut, daß zur Zeit, als sie Buben waren, ein ungeheuer dicker und langer Wurm durch den Wildbach aus der wilden Klamm, Hundstall genannt, herausgeschwemmt wurde, welcher drinnen hauste und viel Unglück über Menschen und Tiere brachte.

Er wurde im gemeinen Leben der Drache genannt und verschlang alles Lebendige, was in seine Nähe kam. In dieser Klam fließt im Sommer ein Bächlein durch, im Winter fast keines, so war es auch dazumal, und doch war es im Stande, das Ungeheuer herauszutreiben, denn als im Frühjahr jählings sehr warmes Wetter einfiel, wurde das Bächlein vom geschmolzenen Schnee geschwellt wie ein Strom, unterwühlte die Felsenwohnung des Drachen im Hundstall und riß Felsengerölle und das Ungeheuer heraus, überschwemmte die Wiese und ließ alles miteinander da liegen, wo es jetzt Drachenwies heißt. Man kann heute noch den gewaltigen Murbruch drinnen sehen.

Der Drache war ein Riesenwurm mit einem Drachenkopf, hatte 2 Ohren und einen schrecklichen, scheußlichen Blick.

Er war halbtod und dennoch sah man seinen Leib überall unter dem Felsenschlamm sich winden, niemand durfte wagen, nahe zu kommen und daher wurde er von ferne mit Kanonen zusammengeschossen. Er war halt ein "Lindwurm "sagt noch jetzt der alte Turler in Zirl (der Bauer Mader), welcher schon 60 Jahre lang auf der Zirler Alpe "Kristen" als Senn geht und die alten Geschichten treu aufbewahrt hat. Turler hebt noch als Merkwürdigkeit hervor, daß der halbtote Lindwurm so fürchterlich geblasen habe, daß es "erschröcklich von z'Weitescht "(weit weg) anzuhören und anzusehen war, man konnte auch nicht wissen ob er nicht Gift "ausiblas'n" hat, denn das ist bewiesen, daß noch jetzt kein Gras auf der Drachenwiese wächst, wo er krepiert ist.

Nach Joh. Nep. Ritter v. Alpenburg Mythen und Sagen Tirols[46]

Nach Mitteilung eines Inzingers soll der Drache in der großen aus Steinen erbauten Schutzarche eingemauert worden sein.

Die Drachenwiese liegt zwischen der Salzstraße, dem Jörg-Köldererweg, dem Altersheim und dem Scharmesweg, umfaßt also die Grundparzellen Nr. 249 bis 271.

Drachensagen werden in allen Ländern und Erdteilen erzählt und sind meist mit Seen und Flüssen verknüpft. Manche Wissenschaftler meinen, daß sich drachenähnliche Tiere aus grauer Vorzeit bis in die Tage erhielten, als Menschen unsere Erde bevölkerten und dann ausstarben.

Murbrüche werden oft mit Drachensagen in Verbindung gebracht. So wie der Drache aus seiner Felsenhöhle, so wälzen sich die Schuttmassen aus der Schlucht und überschütten jählings Siedlungen und blühende Fluren.

In Inzing ist die Meinung verbreitet, daß alle 70 Jahre eine Mure über unser Dorf hereinbricht. Die letzten großen Murbrüche waren: 1929, 1879, 1807 und 1921. 187

Quelle: Dorfbuch Inzing, Franz Pisch.

© Ernst Pisch.
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