DER BESTRAFTE HIRTE

Vor uralten Zeiten war auf unsrer Alm ein Hirte, der mit einer Kuh sein liebes Kreuz hatte. Immer wieder ging sie ihre eigenen Wege und entfernte sich soweit von der Alm, daß er sie oft stundenlang suchen mußte. Das verdroß ihn sehr und er sann auf ein Mittel, diesem Übelstand abzuhelfen. Das Mittel, das er anwandte, war aber nicht redlich.

Er verschaffte sich heimlich frische Rinden und legte sie auf eine abschüssige Stelle, von der er wußte, daß die Kuh hier täglich vorbeikam. Da er die Rinden so geordnet hatte, daß die glatten Seiten nach oben zu liegen kamen, rutschte die Kuh aus, als sie auf die Rinden trat, fiel den steilen Hang hinab und verendete.

Noch viele Jahre nach seinem Tode mußte der Hirte als Strafe für seine schlechte Tat als Geist an der gleichen Stelle Rinden legen.

Mitgeteilt von Josef Lederle

Quelle: Dorfbuch Inzing, Franz Pisch.

© Ernst Pisch.
Dieser urheberrechtsgeschützte Text wurde freundlicherweise von Ernst Pisch für SAGEN.at zur Verfügung gestellt.