DIE INZINGER FÜLLELASCHINTER

Vor alten Zeiten trieben übermütige Burschen im Unterdorf einen rohen Spaß. Sie zogen einem Fohlen bei lebendigem Leib die Haut ab und ließen es laufen. Das arme Tier tollte in seinen quälenden Schmerzen durchs Unterdorf (die heutige Hauptstraße) bis zum Dorfplatz, stürmte dann die Bachgasse (Kohlstatt) aufwärts und brach beim Blasigerhof (Kohlstatt Nr. 3) tot zusammen.

Bald darauf traf die gerechte Strafe Gottes unser Dorf. Es brach die Pest aus und alle Bewohner der Häuser, an denen das geschundene Fohlen vorbeiraste, starben an der schrecklichen Seuche. Die Häuser, welche ober dem Blasigerhof standen, wurden von der Pest nicht heimgesucht.

Die Bevölkerung der Nachbarorte nannten seitdem unsere Dorfbewohner "Inzinger Füllelaschinter".

Übernamen gab es in alten Zeiten für jeden Ort Tirols. Wie sie entstanden, kann man heute nicht mehr feststellen, doch dürften boshafte oder witzige Bewohner der Nachbarorte ihre Hand im Spiel gehabt haben. Wohl nur selten lassen sich Übernamen auf tatsächliche Geschehnisse zurückführen. Der Übername "Füllelaschinter" wird auch für Bewohner anderer Orte angewandt, z.Bsp. für Kaltenbach im Zillertal. Auch wir haben für unsere Nachbarn Übernamen, wie "Zirler Wiarla", "Rangeler".

Über die Pest, auch der schwarze Tod, Pestilenz oder der Große Sterb genannt, sind für Inzing keine Aufschreibungen vorhanden. Seuchen traten in Tirol immer wieder auf, wobei aber nicht immer an die Pest gedacht werden darf. Auch andere Epidemien (Cholera, Typhus und ähnliches) forderten einstmals wegen der schlechten hygienischen Zustände hohe Opfer.

Eine Schloßfrau von Fragenstein schrieb 1512 in einem Brief, daß in Zirl die Pest ausgebrochen sei und daß bereits 60 Menschen daran gestorben wären. (In Hall 530, in Innsbruck 700). Ob die Krankheit auch auf unser Gebiet übergriff, ist nicht bekannt.

Am grausamsten wütete im Lande die Beulenpest während des dreißigjährigen Krieges in den Jahren 1611-1637. Die heute noch in vielen Orten vorhandenen Pestkapellen, Pestsäulen, Friedhöfe, verlobte Bittgänge und dergleichen erinnern meist an die Seuche dieser Zeit. In Zirl wurde sie damals von durchziehenden Soldaten eingeschleppt und breitete sich sodann in der Umgebung aus. Man erzählt, daß zu jener Zeit in den Dörfern von Inzing bis Pfaffenhofen kein Lebender übrig geblieben sei. Diese Angaben sind sicher übertrieben, doch geben sie uns heute noch Kunde von dem großen Leid, das damals unsere Vorfahren befallen hatte.

Quelle: Dorfbuch Inzing, Franz Pisch.

© Ernst Pisch.
Dieser urheberrechtsgeschützte Text wurde freundlicherweise von Ernst Pisch für SAGEN.at zur Verfügung gestellt.