DIE HEXE VON STUBENEGG BEI ST. ANTON
(Aus dem Ferwall.)

Vor vielen Jahren ging einmal eine junge Dirn, die sich nicht gerade eines sittlichen Lebenswandels erfreute, mit ihrem Kind zum Stubenegg. Sie war von St. Anton. Da trat ihr am Stubenegg eine Frau in den Weg und sagte: "Schenk mir das Kind!" Die junge Mutter gab, ohne weiter zu denken, das Kind hin. Nun nahm die scheußliche Frau das kleine Wesen und preßte es in den Felsen hinein.

Soweit es in den Felsen hineingegangen ist, soweit soll es der Mutter ins Herz gedrückt worden sein.

Heute ist im Felsen eine kleine Höhlung, die immer mit Wasser halb gefüllt ist. Nimmt man das Wasser heraus, so sickert es langsam wieder nach. Die Leute sagen, es sei das Blut des Kindes. Über der Grube ist im Felsen eine eigenartige Form, die der Volksmund als die Form des Kindes ausgibt.


Robert Peer, Flirsch, in 'Aus der heimischen Sagenwelt', in: Tiroler Heimatblätter, Heft 5/6, 1935, Seite 207